Wer hat Angst vor dem komischen Kauz?

So kann's gehen · Seit der Messerattacke von Grafing werden verhaltensauffällige Menschen auf öffentlichen Plätzen mit Argwohn betrachtet. Dabei würde etwas Konfliktvermeidung schon Wunder bewirken, meint SZ-Mitarbeiter Brian Erbe im Hinblick auf die Saarbrücker Innenstadt.

Auf meinem alltäglichen Weg zur Saarbrücker Universität begegnen mir nahezu ausschließlich verschlafene, gelangweilte und auf Körperabstand bedachte Pendler. Auch ich bin morgens nicht die Heiterkeit in Person. Umso erstaunlicher wirken darum auf mich jene wenigen Menschen, die sich durch extravagante Meinungsäußerungen, mangelnde Distanz zu ihrem Gegenüber und explosive Gebärdensprache auszeichnen. Bisher wurden diese einzigartigen Individuen von mir bloß mit etwas Verwunderung wahrgenommen. Ein Mann, der jeden Tag im Zug den Verfall der westlichen Weltordnung beklagt, kommt mir eher verbittert als gefährlich vor. Und auch jemand, der an den Bushaltestellen der Stadt provokante, aber in sich widersprüchliche, Parolen zum Besten gibt, scheint mir mehr auf Aufmerksamkeit als Krawall aus zu sein. Würde eine dieser verwirrten Gestalten tatsächlich gewalttätig sein, so wäre ich wohl längst schon an meinem Grab betrauert worden. Aber das kann ich nur durch jahrelange Erfahrung wissen. Wehe dem, der zum ersten Mal die Stadt besucht!

Da viele der auffälligeren Personen im Tagesablauf Saarbrückens meiner Erfahrung nach eine gewisse Routine an den Tag legen, wäre etwas Aufklärung seitens der Stadt wünschenswert. Ein Beamter, der auf die Harmlosigkeit der lokalen Exzentriker hinweist und möglicherweise eine Erklärung für ihr Verhalten liefert, würde dem einen oder anderen Bürger sicherlich die Sorgen nehmen.

Und besser als ein Generalverdacht gegen verhaltensauffällige Menschen wäre ein solches Vorgehen definitiv. Denn die Verfolgung von Minderheiten kann niemand wollen. Komische Käuze hin oder her.

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