Kolumne So kann’s gehen Wenn Kirchen unterschiedlich ticken

Jeder Mensch hat seine eigenen Morgenrituale. Für viele beinhalten diese eine heiße Tasse Kaffee, ein kräftiges Frühstück und ein Blick in die Tageszeitung. Andere dagegen blicken nach oben – und können sich jeden Tag aufs Neue nur wundern.

 Kommentarkopf Aline Pabst

Kommentarkopf Aline Pabst

Foto: SZ/Robby Lorenz

Kennen Sie das? Dieses Gefühl, wenn etwas, das passen sollte, ein klein wenig in Unordnung ist? Nicht wirklich schlimm, aber doch so störend wie eine juckende Stelle, die man nicht erreichen kann?

Ich schon. Jeden Morgen. Zumindest an Werktagen. Die beginnen bei mir mit einem strammen Fußmarsch Richtung Arbeit. Zwei Kirchen kreuzen meinen Weg: Die Ludwigskirche und St. Jakob, die eine evangelisch, die andere katholisch, doch beide altehrwürdig-respektabel mit ihren stolzen Glockentürmen. Vielleicht hat es deshalb etwas gedauert, bis ich etwas Schockierendes bemerkte: Die beiden Uhren, obwohl nur ein paar Meter Luftlinie voneinander entfernt – die laufen doch tatsächlich nicht synchron.

Und dabei rede ich nicht von ein, zwei Minuten Differenz. Die Uhr der Ludwigskirche, dieses Saarbrücker Wahrzeichens, neben dem St. Jakob doch ein wenig verloren wirkt, geht satte zehn Minuten nach.

„Das muss doch jemandem auffallen?!“ denke ich seitdem. Jeden Morgen. Seit Wochen. Mein Kopf rotiert regelrecht. Ist das ein Akt lutheranischen Rebellentums? Haben sich beide Gotteshäuser abgesprochen, damit die Glocken nicht gleichzeitig läuten? Oder steckt dahinter einfach nur eine große Verschwörung, um mich in den Wahnsinn zu treiben? Wie funktioniert so eine alte Turmuhr überhaupt, läuft die mechanisch oder elektrisch oder...

So hämmert es in meinem Schädel, bis ich endlich am Ziel bin. Dann werden diese Gedanken glücklicherweise von anderen verdrängt. Bis zum nächsten Morgen. Dann geht es wieder von vorne los.

Aber das Seltsame ist: Würden die Uhren plötzlich wieder richtig gehen, würde mich das auch stören. So ist das wohl mit Gewohnheiten: Man hängt an ihnen, selbst wenn sie einen verrückt machen.

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