Das Handy in der Tasche lassen! Man sieht mit dem Verstande gut

Es bleibt für unsere Autorin unergründlich, wieso manche Besucherinnen und Besucher von Kulturveranstaltungen ständig mit dem Smartphone herumfuchteln, um Fotos zu machen, statt sich mit allen Sinnen auf die Aufführung zu konzentrieren.

 Kommentarkopf, Foto: Ruth Rousselange

Kommentarkopf, Foto: Ruth Rousselange

Foto: Ruth Rousselange

Ab und an glaube ich, einige von uns haben sie verloren, die Fähigkeit, etwas mit Genuss wahrzunehmen, ohne dem Zwang zu unterliegen, es gleichzeitig aufzeichnen zu müssen. Sich dem Moment hinzugeben, im Augenblick aufzugehen und zu wissen, er ist besonders und wird so nicht wiederkommen. Auch nicht, wenn wir ihn ins Smartphone gebannt haben. Schauen wir ihn nochmals an, sehen wir nicht mehr dasselbe. Weil wir nicht mehr dieselben sind. Wir haben nun andere, neue Empfindungen und müssten dem aufgenommenen Moment quasi mit unserem vergangenen Ich, dem von gestern oder vorgestern, nachspüren können. Wahrnehmen und Empfinden gehören einfach unauflösbar zusammen, finden Sie nicht auch?

Kurz und gut: Es wird mir für immer unerfindlich bleiben, warum Menschen in Theatersälen sitzen, um mit ihren handtellergroßen, hell leuchtenden Telekommunikationsgeräten Fotos zu schießen und Videos aufzuzeichnen und mit den Dingern hin und her zu fuchteln, statt konzentriert mit all ihnen zur Verfügung stehenden Sinnen das anzuschauen, bestenfalls sogar zu rezipieren, was sich ihnen gerade bietet. Womöglich soll diese Form der Selbstdarstellung demonstrieren, wie groß doch das eigene Kunstverständnis ist. Schließlich betrachtet man die ausgewählte Aufführung ja offenbar der Dokumentation für wert. Und stört mit solch egozentrierten Knipps-Aktionen alle ringsherum. Was aber einem Connaisseur nichts ausmachen darf. Leichthin erhebt er sich über die seinen Ansprüchen nicht genügende, unverständige Masse. Und unterliegt einem Irrtum: Seine Art des Handelns bedeutet eine bedauernswerte Geringschätzung der Kunst. Kunst verlangt Unbedingtheit, in der Ausführung wie in der Anschauung. Nur so wird sie bereichern und wirken. Man sieht eben nicht nur mit dem Herzen gut. Sondern auch mit dem Verstand. Wenn möglich . . .

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