Kolumne Vom „Spasti“ zum Doktor

Manch einer ist als Erwachsener froh, dass sein Spitzname aus der Vergangenheit Geschichte ist und er ihn nie mehr zu hören bekommt. Nicht jeder Spitzname war schmeichelhaft. Aber lustig war’s schon.

Als ich neulich mit China-Nina auf einem Termin war, fiel sie mir wieder ein: die gute alte Zeit, als wir uns mit mehr oder weniger schmeichelhaften Spitznamen bedachten. Was ist bloß aus all den Kumpels von früher geworden? Da waren „Hinse“, „Roscoe“, „Bratscheldi“, „Adler“ und „Spasti“.

„Roscoe“ hieß tatsächlich Jürgen, hatte aber eine gewisse Ähnlichkeit mit dem damaligen Tennisspieler Roscoe Tanner. Außerdem hatte er auch diesen federnden Gang, der ihn durch die Gänge der Schule schweben ließ. Nicht zu vergessen „de Bus“. Eigentlich war sein Name Michael, aber weil er jeden Tag zu spät kam und dann als Entschuldigung regelmäßig vorbrachte, „de Bus hatte Verspätung“, war sein Spitzname eben „Bus“. Die Sache mit der Verspätung hat ihm natürlich nie jemand geglaubt, weder Schüler noch Lehrer. Der Schwindel war zu offensichtlich. Sein Cousin Hans-Dieter, „Adler“ genannt, hatte eigentlich nichts Erhabenes von einem stolzen Gebieter der Lüfte an sich. Er war wie sein Cousin „Bus“ ein blasses, dünnes Männchen, das gern in Rockerkleidung rumlief oder sich auf seinem MTX-Motorrad präsentierte. Den Namen „Adler“ verdankte er dann auch dem Bild mit den zwei Adlerflügeln, das er sich aufs Motorrad geklebt hatte. Von „Bus“ weiß ich, dass er später Steinmetz gelernt hat. Ob „Adler“ Bestatter geworden ist wie sein Vater?

Definitiv Bescheid weiß ich über „Spasti“, eigentlich Sebastian. Ein netter, fröhlicher Junge und faul wie die Sünde. Zudem war er nicht die hellste Kerze in der Schule. Vor allem in Französisch und Physik hatte er seine Schwächen. Warum er ausgerechnet Physik als Leistungskurs gewählt hatte, konnten wir uns damals alle nicht erklären. Eher brachte man einer Kuh Polka bei als unserem „Spasti“ die Relativitätstheorie. Vor jedem Halbjahreszeugnis fing er fieberhaft zu rechnen an, ob er überhaupt die Zulassung zum Abi schaffen würde. Halbjahr für Halbjahr kämpfte er darum, in Physik wenigstens einen Punkt aufs Zeugnis zu bekommen, um nicht durchzufallen. Jahre später traf ich ihn wieder, und er erzählte mir, er promoviere gerade in Maschinenbau. In Frankreich. So kann’s gehen.

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