Kolumne Schlittenrehe auf Winterstraßen

Zwischen verschwenderisch geschmückten Häusern und mehr oder weniger besinnlichen Geschichten kommt trotz allem so etwas wie Weihnachtsstimmung auf...

 Ruth Rousselange

Ruth Rousselange

Foto: SZ/Robby Lorenz

Es leuchten die Sterne und Kugeln, Elche, Engel und Girlanden. Schwer bepackte Weihnachtsmänner erklimmen Häuserfronten. Zarte Rehe ziehen mit Geschenken beladene Schlitten durch die winterlichen Vorgärten. Obwohl man Rehen solch konzentrierte Aktionen gar nicht wirklich zutrauen mag. Für Weihnachten machen sie offenbar eine Ausnahme. Finden sie nicht auch: In diesem Jahr strahlen die Häuser und Gärten festlicher als zuvor? Haben wir das nur vermisst und in dieser tristen Zeit sehnsüchtig auf Lichtblicke gewartet, oder sind die Anwesen noch verschwenderischer geschmückt als gewöhnlich? Über und über mit Lichterketten behängte Bäumchen blinken an Hauseingängen, Lämpchen blitzen an Lattenzäunen und Garagenvordächern, gar mancher Hund auf Gassigang trägt stolz ein weihnachtlich illuminiertes Halsband.

Würde ich es wagen, meinen Katern sowas anzulegen, ich könnte mir sicher sein, sie bringen mir erst ein paar Kratzspuren bei und mich dann bei der ganzen ortsansässigen Katzenschaft in Verruf. Meine Futtergaben würden aber dennoch verzehrt, klar! Na egal, Winter also, einer wie noch keiner war. Die hübschen Lichter suggerieren zwar, dass alles auch ganz normal sein könnte, wir uns einfach zwischen die Kissen aufs Sofa fallen lassen und im Warmen entspannen sollten. Nur ist dem nicht so. Doch etwas Tröstliches brauchen wir und freuen uns über funkelnde Lichter überall, egal wie kitschig, an Weihnachten ist Kitsch nun wahrlich kein Kriterium.

Wir werden sentimental und packen die Schmöker mit Weihnachtsgeschichten und -gedichten aus und treffen schon wieder auf Rehe, auf die kontemplativen: „…ich stapfe einsam durch den Schnee. Vielleicht steht links im Busch ein Reh und denkt: Dort geht ein Mann“, von Joachim Ringelnatz in „Stille Winterstraße“ bedichtet, ein so schönes Wintergedicht. Und auf die komischen: „Das Reh ist scheu und lebt in Rudeln, am besten schmeckt’s mit breiten Nudeln“. Von wem war das nochmal? Glatt vergessen… Dann halt noch ein Erhardt: „Das Reh springt hoch, das Reh springt weit. Warum auch nicht – es hat ja Zeit!“ Scheint doch praktisch, wenn man kein Schlittenreh ist.

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