Kolumne So kann’s gehen Mein neues wildes Leben

Der Frühling macht die Vegetation munter. Es gibt gute Gründe, das ungestüme Wachsen und Gedeihen erst einmal ohne menschliche Eingriffe laufen zu lassen.

Was für ein wohliges Sommerzwischenspiel wir da hatten… Wie die Luft sich anfühlte, wie ein Föngebläse auf ordentlich mittlerer Temperatur, warm und dicht, so als könnte man sie packen. Als sei sie stofflicher als gewöhnlich. Dann kam ergiebiger Regen und was ein Garten war, wurde Urwald. Die Butterblumen bilden nun ein gelbes Meer, das die Ellenbogen streift, Sauerampfer und Wiesenschaumkraut recken die Köpfe, die Kronen der Obstbäume tragen junges Laub. Stechmücken schwirren in Scharen, Singvögel flitzen durchs Geäst, das Gras ist auf Kniehöhe geschossen. Nichts mehr ist es da mit Rasenmähen! Es gibt schlicht kein Durchkommen, das Grün ist wehrhaft, Schlingpflanzen bedecken das gesamte Gartenhaus und hängen malerisch um die Ecken. Vielleicht würde eine Machete von Nutzen sein, doch Vorsicht, allerorten hocken Haustiere in den Gräsern und hoffen auf Beute. Nein, keine Angst! Sie tun nur so. Ordentliche, trockenfuttersatte Tiere sind es, die wissen, wie man sich benimmt. Behaupten sie jedenfalls und blinzeln sanft. Also, einfach alles leben und mal wachsen lassen, der Garten weiß schon, was er macht. Da heißt’s gelassen bleiben. Ist es nicht schön, wie sich alles von selbst erneuert und entfaltet? Wie erst Narzissen, dann Tulpen sprießen, Hasenglöckchen, Trauben-Hyazinthen und Ehrenpreis ihr Blau zeigen, der Flieder in Lila zu leuchten beginnt und die Pfingstrosen ihre Stängel langsam zum Licht strecken. Gelassen gärtnern ist eine Kunst, der Löwenzahn übertreibt es natürlich wieder, wie immer. Pflanzt sich frank und frei zwischen Rosmarin, Thymian und Bohnenkraut, einfach überall hin. Aber so ist er halt, wie man sich auch müht, man wird seiner nicht Herr. Warum sollte man also? Und die Bienen freut er offenbar.  Inzwischen ist mir entfallen, ob wir gerade bloß gelockdownd oder zudem ausgangsgesperrt sind. Was macht’s? Wo sollte man nach 21:00 Uhr schon hin? Oder war es 22:00 Uhr? In meinen Garten darf ich ja, und da ist’s wild und wunderbar…

Noch ein Buchtipp zum Thema „Gelassen gärtnern“: Simone Kern: „Der antiautoritäre Garten“, Kosmos Verlag 2019, 128 Seiten.

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