Schimpfen ist wichtig

So kann's gehen · SZ-Redakteur Alexander Manderscheid erklärt, warum Eltern immer lamentieren sollten.

Gestern kamen mir zwei Mädchen entgegen, und die beiden schauten nicht gerade glücklich aus der Wäsche. Ihre Hosen waren zerrissen.
Das war natürlich nicht der Grund für ihre miese Laune, das weiß ich auch im Gegensatz zu anderen Leuten, die zerrissene Hosen gerne zum Thema machen, Eltern vielleicht. Und ich kann mir vorstellen, dass unter denen auch ein paar anbiedernde sind, also unter den Zerrissenen-Hosen-Gegnereltern, die dann aber nichts sagen, weil es uncool ist. Das ist schlimm, wenn man nicht schimpft. Denn die Kids können sich dann nicht mehr gegen irgendetwas auflehnen. Was, wenn plötzlich Erwachsene ihre Bundfaltenhosen aufreißen und schön achtgeben auf die herausgesprengten Fäden?

Also, immer ordentlich lamentieren. Hosen sind schließlich auch eine Frage von Alter und Literatur. Bei mir haben Mängel-Exemplare mit Short Storys von F. Scott Fitzgerald ein Gefühl für Knickerbockers entstehen lassen und in meinen Modesynapsen damit die Löcher aus den verwaschenen Trainspotting-Jeans des literarischen Irvine-Welsh-Gerotzes vertrieben.

Na, nicht ganz, auch der Schottenautor bleibt im Regal. Man muss eben beides können, fein und verwildert, mal so und mal so. Und dann weiß man auch, was die Kleinen wirklich wollen: beschimpft werden! "Wie sehen denn eure Hosen aus!", werde ich ihnen beim nächsten Mal zurufen und mit meinem Schirm böse auf ihre Knie zeigen, auch wenn ich ganz anders denke. Dann können die Mädchen sich über die Spießer ärgern, und ihre Laune ist wieder oben.

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