Schaum vorm Mund

SO KANN’S GEHEN · SZ-Redakteur Frank Kohler musste lernen: Eine Nassrasur braucht Zeit.

Jahrzehntelang ließ ich den Elektrorasierer über Wangen und Hals brummen. Doch die Beziehung zwischen mir und dem Ding ist nach und nach erkaltet. Schon das mürrische Geräusch des vor sich hin rasselnden Klingenblocks war nicht gerade ein Launesteigerer am frühen Morgen. Und richtig frisch fühlte ich mich ohnehin nicht, wenn die Scherfolie nach nervend langen Bemühungen von meiner erschlaffenden Haut abließ. Als sei der Wagemut der Jugend zurück, beschloss ich jetzt, es noch mal mit der guten, alten Nassrasur zu versuchen. Mit Wasser, Schaum und scharfen Klingen wollte ich mir wieder das schwarz-graue Gestrüpp von den Wangen schaben.
Die ersten Versuche waren vielversprechend. Die verblüffte Haut verkniff sich das gereizte Herumgezicke und kam, mit viel Creme besänftigt, irgendwie um Jahre jünger rüber. Bis gestern. Da lehrte mich der Gesichtsbezug, mir mehr Zeit zu nehmen. Kaum hatte der Rasierer die erste Schneise durch den Schaum gezogen, bahnte sich ein rotes Rinnsal den Weg. Als mir dann auch noch eine Frage durch den Kopf schoss, die keinen Aufschub duldete, rannte ich mit Schaum vorm Mund und Blutspur zu meiner Frau.

Die verwand den ersten Schreck schnell und spendete geistesgegenwärtig Trost: "Du wolltest doch immer wissen, wie du mal an Fastnacht aussehen könntest. So!"

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort