Finanzamt Neulich vor dem Feiglingsbunker
Der positive Verdacht: Im Saarbrücker Finanzamt werden Steuerbetrügereien im großen Stil aufgedeckt.
Stefan Weszkalnys ist ein Mensch, der sich gerne Fragen stellt und keine Mühen scheut, die Antworten dazu zu suchen. Meistens geht es dabei um Details der Saarbrücker Stadtgeschichte. Der ehemalige Ministerialbeamte formuliert seine Fragen an sich selbst und an andere aber selten so drastisch wie in diesen Tagen.
„Spinnen die? Wofür halten die sich? Haben sich die allerwichtigsten ,Systemrelevanten’ in ihrer behördlichen ,Alpenfestung’ eingeigelt?“, fragt sich der Saarbrücker Pensionär. Anlass für diese zornigen Fragen war ein Besuch im Finanzamt am Saarbrücker Stadtgraben. Besser gesagt: der Versuch eines Besuchs.
Er habe, mit Maske ausgestattet, nur die völlig unspektakulären Vordrucke für die Steuererklärung im sogenannten Servicecenter des Amts holen wollen. Doch dann das: „Ich komme zum Eingang, finde ihn mit Flatterband verrammelt und mit unübersehbaren Hinweisschildern dekoriert, wonach nicht nur nötige Rücksprachen mit Zuständigen, sondern sogar die Ausgabe der Formulare für Steuererklärungen ausschließlich nach telefonischer Voranmeldung und Terminvereinbarung möglich ist“, erzählt Weszkalnys. Und einen Hinweis auf eine Internetseite, mit deren Hilfe man sich die Formulare ausdrucken könne, habe es auch noch gegeben.
Eine telefonische Annmeldung und Terminvereinbarung, „nur um sich eine bisher normale Dienstleistung des Finanzamtes direkt hinter dem Eingang aus dem Regal links an der Wand – ohne Beschäftigte überhaupt bemühen zu müssen – abgreifen zu dürfen!?“ Weszkalnys ist fassungslos: Lehrerinnen und Lehrer müssen „wieder Schule halten, Verkäuferinnen und Verkäufer haben uns durch die ganze Zeit der Pandemie versorgt, die Gastronomie bedient Abstand einhaltende Gäste, die Krankenhäuser stellten seit Ende April zunehmend auf Normalbetrieb um, und dann verhalten sich diese Finanzamt-Fuzzis, als ob man ihnen ans Leben wollte!“, empört sich Stefan Weszkalnys.
Aber er ist ein positiv denkender Mensch. „Wahrscheinlich“, vermutet er, haben die Finanzbeamten nun „die nötige Zeit, um Fälle von Cum-Ex-Betrügerei in aller Ruhe aufzuklären“. Sowas scheine ja unter normalen Umständen unmöglich zu sein.
Den Begriff „Servicecenter” hält der Pensionär allerding nicht mehr für angebracht. „Feiglingsbunker”, sagt er, „wäre treffender“.