Raumschiff bereit zum Abflug

So kann's gehen · „Neugier war der Katze Tod“, besagt ein englisches Sprichwort. Sie lohnt dennoch, findet SZ-Mitarbeiterin Ruth Rousselange.

Wir wissen, der Mensch ist ein Herdentier, das lässt sich immer wieder beobachten. Zwei Geräte besitzt die kleine Sparkassen-Filiale, eins kann nur Kontoauszüge drucken, das andere kann auch Überweisungen. Vor beiden wartet eine lange Schlange. Auf gleicher Ebene, durch abweichenden Bodenbelag, aber weder durch Türen noch Mauern getrennt, befindet sich ein weiterer Automat, ein Aussätziger, geächtet von den Sparkassenkunden. Kein Mensch steht davor an. Obwohl er haargenau aussieht, wie die zwei drüben. Warum?Womöglich ist es ein Außerirdischer, in Kastenform getarnt, der uns ausspäht und darauf abzielt, kaum dass wir die Girokarte in den Geräteschlitz schieben, einen, schwups, einzusaugen. Vielleicht hat der Automat schon alle, die sich vor ihm aufbauten, einfach weggesaugt, wenn niemand guckte. In einer Herde fühlt man sich beschützt, es ist warm, man kann kommunizieren. Hier in der Sparkasse auch. Es dauert, bis die Leute vorrücken, weil alle viel reden. Man kennt sich schließlich und muss erst ausgiebig mit dem Hintermann plauschen, bevor man die Karte aus dem Gerät holt und es dem Nachfolger überlässt.

In jeder Herde gibt es ein paar genetisch etwas sonderbar geartete Tiere, die haben sozusagen eine Meise. Das heißt, vor allem bei Meisen entdeckte man ein Gen mit Namen Drd4, es ist für lange Dopamin-Rezeptoren verantwortlich. Nein, ist gar nicht kompliziert, Dopamin polt das Hirn so, dass wir was wagen und uns dafür gleich selbst belohnen. Genau deshalb erkundet die Meise gern Neues. Und eben nicht nur die. Ich rücke weg von der Schlange, bewege mich hin zum abseitigen Automaten. Man wirft mir scheele Blicke zu. Ich schiebe meine Karte ins Gerät und warte darauf eingesaugt zu werden.

Der Automat wechselt das Display und befielt mir vorzutreten und mich zu bücken. Scherz! Er will bloß wissen, ob ich meinen Kontostand zu begutachten gedenke oder sonstige Services benötige. Von hinten links raunt mir eine Oma zu: "Kann man hier auch Überweisungen machen?" "Ja", sage ich "oder nach Hause telefonieren." Worauf sie verwirrt die Augenbrauen hebt. Zum dritten Mal tippe ich eine IBAN, lasse den Zeigefinger knacken und siehe, er leuchtet…

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