Kolumne So kann’s gehen Lächeln trotz Truggebilden

So nötig sie auch sind: Masken beeinflussen unsere Sehgewohnheiten. Und nicht nur die. Oder?

 Ruth Rousselange

Ruth Rousselange

Foto: SZ/Robby Lorenz

Wissen Sie, was erstaunlich ist? Wie schnell sich die menschliche Wahrnehmung ändert. Wir sehen schon Masken, wo gar keine sind. Mir zumindest geht es so. Oft sehe ich jemanden von Weitem und nehme an, er trägt eine Maske, weil ich die untere Gesichtshälfte nur verschwommen registriere. Komme ich dann näher, merke ich, dass ich mich irre. An dieser Täuschung ist mein Gehirn schuld: Durch das ständige Maskensehen geschult, ruft es Masken hervor, ob nun tatsächlich welche da sind oder nicht. Es hat sich an die Maske derart gewöhnt, dass es sie als gegeben voraussetzt.

Sie beeinflussen unsere Sehgewohnheiten, diese Masken. Erfassen wir deshalb nun die obere Gesichtshälfte auf klarere Art und Weise? Glaube ich eigentlich nicht… Das menschliche Gesicht besitzt für uns nur eine eindeutige Aussagekraft, wenn wir es in Gänze sehen können. Bloß zur Hälfte sichtbar fehlt eben etwas Entscheidendes. Wir können es hin und her deuten, wie wir wollen: Ist ein Gesicht zum Großteil von einer Maske verdeckt, verleiht diese ihm auch was Furchterregendes. Egal wie freundlich wir unter dem Stoff lächeln mögen. Weil die Maske signalisiert, dass was nicht in Ordnung ist, eine Gefahr droht, dass eine diffizile Situation vorliegt, völlig gleichgültig, ob es sich um schlichte blauweiße Einmal-Masken handelt oder um liebevoll mit Schmetterlingen und Käfern bestickte. Womöglich schärfen wir aber durch die stete Anwendung des Maskengebots andere Sinne, den Geruchssinn etwa. Wie intensiv eine grüne Wiese plötzlich duftet, haben wir die Maske abgesetzt. Und kommen wir, endlich maskenbefreit, aus einem Laden, nehmen wir die Luft um uns herum ganz neu wahr. Schnuppern den zuvor niemals so deutlich verspürten Geruch der Passanten nach Parfum, Deo, Mittagspausensnack oder Zeitdruckstress. Den Masken müssen wir wohl noch eine Weile treu bleiben. Dieweil ich weiter von einem transparenten, seidigen Stoff träume, durch den man ein Lächeln nicht nur ahnt, sondern auch sieht. Ganz so wie früher….

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