Mann, Frau, Ausnahmezustand

Saarbrücken · SZ-Redakteur Martin Rolshausen hat an einer Döner-Bude von der Not eines Christenmenschens erfahren.

Es gibt Dinge, deren Ausmaß können Muslime gar nicht erfassen, sagt der Mann, der an der Kebap-Bude gerade sein Abendessen bestellt hat. Der Mann hinter der Theke schneidet Fleisch vom Spieß, sagt nichts, lächelt aber freundlich. Weihnachten sei so ein Ding, redet der Mann, den der Hunger an diesen Imbiss geführt hat, weiter. Der Mann auf der anderen Seite des Tresens stopft Fleisch ins Fladenbrot und schaut, als denke er darüber nach, sich dafür zu entschuldigen, dass die Muslime die Christen mit Weihnachten alleine lassen.
Weihnachten selbst sei ja gar nicht so schlecht. Nein, es sei sogar richtig schön - schon wegen der Kinder, sagt der Mann, der beginnt, das Geld für seinen Döner abzuzählen. An Weihnachten, da erinnere er sich auch selbst immer daran, wie es war, als er noch ein Junge war, der ans Christkind glaubte. Das sei lange her, sagt der Mann. Sehr lange. Da habe es in Deutschland noch keinen Döner gegeben - ha, ha.

Der Mann am Fleischspieß, der jetzt "Mit allem?" fragt, lacht nicht. "Keine Tomaten", sagt sein Kunde. Die habe er schon als Kind nicht gemocht. Ach ja, Weihnachten: Das Blöde sei, dass er jetzt Rentner ist. Da stelle sich die Frage: "Was mache ich morgen den ganzen Tag?" Klar sei: Er muss flüchten. Dieser Tag sei schon schlimm gewesen, als er noch gearbeitet hat - aber da habe er sich ja noch nicht vorstellen können, wie furchtbar dieser Tag ist, wenn man nicht ins Büro kann.

Morgen sei doch noch gar nicht Weihnachten, sagt der Mann am Spieß, der zwar Muslim ist, aber weiß, wann die Christen feiern, und jetzt Soße über Fleisch , Salat und Zwiebeln schüttet.

Weihnachten nicht, bestätigt der Mann, aber Ausnahmezustand in der Wohnung. "Meine Frau…", setzt er an, dann flüstert er, als könne sie ihn hören: "Meins macht morje Plätzja."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort