Kopftuch, Dutt und Recht und Freiheit

Saarbrücken · Vielleicht geht es Ihnen ja ähnlich? Ich ertappe mich dabei, dass ich mit aufmerksamem Blick durch die Innenstadt laufe und nach neuen Mitbürgern Ausschau halte. Immer wieder lese, höre, sehe ich in Zeitung, Radio, Fernsehen, dass Millionen von Kriegsflüchtlingen nach Deutschland kommen.

 ARRAY(0x8f037b0)

ARRAY(0x8f037b0)

Foto: Robby Lorenz

Das erzeugt Sorge: Vor zu vielen fremden Menschen und zugleich um diese Menschen. Weil ja leider nicht alle Deutschen als hilfsbereit und vorurteilsfrei gelten dürfen. Und nach der Logik der Wahrscheinlichkeit auch nicht alle Flüchtlinge Engel in Not sind.

Im Stadtbild merke ich persönlich noch nichts von der Flüchtlingskrise. In der Bahnhofstraße waren durch die vielen französischen Grenzgänger schon immer recht viele Menschen mit Kopftüchern und etwas dunklerer Haut unterwegs. Und als ich vorgestern im Bus dachte: Jetzt habe ich zwei, entpuppten sich die hübschen jungen Kopftuch-Damen als waschecht saarländisch schwätzende Mädels. So schnell könnte das wohl auch die talentierteste syrische Flüchtlingsfrau nicht lernen.

Kurz gesagt: In meinem direkten, persönlichen Umfeld ist das viel diskutierte Drama bisher nur in Gesprächen angekommen. Die Einwanderer oder sogenannten Neubürger, die ich kenne, gehören schon so lange dazu, dass sie mir gar nicht mehr als "neu" auffallen.

Natürlich weiß ich, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Veränderungen spürbar werden. Und - jetzt begebe ich mich auf heikles Gelände - ich mache mir Sorgen deshalb. Nicht, weil ich Probleme mit einem normal gelebten Islam oder jeder anderen Religion habe. Mir ist auch die Hautfarbe völlig egal - entscheidend ist, was in Herz und Hirn ist, nicht welche Haare auf dem Kopf wachsen. Ich habe nicht einmal per se was dagegen, wenn junge Frauen heute noch freiwillig Kopftücher tragen. Noch meine Großmutter durfte ihr langes Haar nicht offen zeigen, hatte in dem Augenblick, wo sie verheiratet war, gefälligst einen strengen Knoten zu frisieren. Auf der Straße trug auch sie meist Kopftuch oder eine andere Kopfbedeckung. Das ist noch nicht so lange her.

Also, was macht mir Angst? Angst macht mir, dass unsere Gesellschaft es noch immer nicht gelernt haben könnte, ihre Werte zu verteidigen, ohne gleich in Abgrenzung und Ablehnung zu verfallen. Wenn ich die Debatten der letzten Wochen verfolge, die Brandstifter-Reden einiger Politiker, dann wird mir darum bange. Ich will all diese Menschen willkommen heißen können und zugleich darauf vertrauen, dass sie respektieren, dass wir in unserem Land einiges ungemein Kostbare besitzen und behalten wollen: die Freiheit der Meinung, die Freiheit der Frauen , die Freiheit der Entscheidung. Also eine trotz aller Ärgernisse tatsächlich funktionierende Demokratie. Einigkeit und Recht und Freiheit in friedlichem Beisammensein. Diese Werte sind mir wichtig.

Insbesondere die Freiheit der Frauen : Was ist, wenn meine noch minderjährige Tochter jetzt auf einmal einen Kampf wieder aufnehmen muss, den ich schon für beendet hielt? Ihren Anspruch neu anmelden und durchsetzen muss, gleichberechtigt, gleichwertig zu sein und dafür respektiert zu werden? Die jungen Männer, die in Scharen zu uns fliehen, können nichts dafür, dass sie in einer anderen Kultur aufgewachsen sind. Ihnen kann und soll geholfen werden. Ich wünsche mir wirklich, dass sie sich bei uns sicher und zuhause fühlen können. Aber auf eines bestehe ich: Der Kampf, den wir Frauen hier seit über 100 Jahren ausgetragen haben, soll nicht nochmal aufflammen. Meine Tochter wird einen Dutt , einen Hut oder Kopftuch nur dann tragen, wenn es gerade zu ihrem Kleid passt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort