Kolumne so kann’s gehen Des Hasen Heim ist eine Burg

Früher, vor den Sozialen Medien und ihren Häschen mit Star-Status, waren die pelzigen Kerlchen bescheidene Begleiter durch ein paar Jahre und endeten auf unseren Tellern. Heute sind sie Haustiere mit Namen. Und sie wohnen in kleinen Villen.

Kommt ein Kaninchen in den Baumarkt und sagt: „Ich hätte gerne das Nagerheim ,Happy Home Tempietto’ mit großem Außengehege und leicht zu reinigender Kunststoffwanne.“ Ein eventuell mögliches, aber unwahrscheinliches Szenario.

Erstens, weil Kaninchen ständig die Tasche für ihren Geldbeutel vergessen. Zweitens, falls sie mal an solche Erfordernisse dächten, es fraglich wäre, ob sich auf ihrer Bunny-Card genügend Flöckchen befänden, das Kleintier-Wohn-Dings ist im gehobenen Preissegment angesiedelt. Und drittens stünde anzuzweifeln, ob sich Kaninchen ein solches Nagerheim überhaupt beschaffen wollten. Davon mal abgesehen, dass man Kaninchen heute nicht mehr zu den Nagern, sondern den Hasenartigen rechnet. Früher, vor nicht so lange vergangener Zeit, wohnten solche Tiere in etwas, das nannte man Stall. Ein selbst gebauter, zweckdienlicher Schuppen war das, mit nicht allzu voluminösen Käfigen, die aus Brettern gezimmerte Türen mit Draht davor hatten. Darin standen Steinguttöpfe fürs Futter, am Draht hingen Flaschen fürs Wasser, fertig.

Die Hasen – so nannten wir sie – trugen keine Namen, bekamen Möhren und Salate und durften ab und an raus, die Sprunggelenke zu trainieren. Abhauen wollten sie nicht, warum auch? Sie führten ein gesundes, beschauliches Leben an dessen vom Halter festgesetzten Ende sie aufgegessen wurden. Wozu man sie vorher schlachten musste. Niemand wäre auf die Idee gekommen, ihnen ein nach Landvilla mit Gefängnisvorhof oder Burg aussehendes Gebilde zu kaufen und als künftige Wohnstatt anzubieten. Nicht mal denen, die man doch nicht verspeiste. Es hing ihnen auch kein Nachruhm an, außer sie mundeten herausragend. Das Social-Media-Starhäschen war noch nicht erfunden. Weshalb der Hase damals nicht mit der Quantität seiner Follower angeben konnte.

Kürzlich sah ich einen Film, der der Bedeutung von Dekadenz nachspürte. Die viele Schattierungen hat, meist aber eine Form von ungesundem Überfluss, Maßlosigkeit, Egozentrik und Verfall impliziert.

Wieso ich jetzt drauf komme? Keine Ahnung, ich sehe einen Hasen vor mir, wie er glücklich davonhoppelt, die Tasche voller Möhren und noch ganz viele Flöckchen auf der Bunny-Card …

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