Kolumne So kann’s gehen Die Hirsch-Verschwörung
Wieso springt dem deutschen Verkehrsteilnehmer ein Hirsch vom Warnschild entgegen? Ein Leser aus Fischbach glaubte schon, er sei auf ein ganz großes Komplott gestoßen. Doch dann kam alles ganz anders. Der Hirsch spielt hierzulande beim Unfallgeschehen doch eine unschöne Hauptrolle.
Vor einigen Tagen hat ein aufmerksamer Autofahrer das Hirsch-Komplott aufgedeckt. Es war wie so oft bei den ganz großen Verschwörungen: Man muss nur genau hinschauen, und plötzlich ist alles ganz klar. Der Leser aus Fischbach hat seinen Blick den entscheidenden Augenblick zu lange auf einem Verkehrsschild ruhen lassen. Von „Innehalten“ wird er später in einer E-Mail an unsere Redaktion schreiben. Ein Hirsch springt in einem rot umrandeten Dreieck von rechts nach links. Das Schild soll vor Wildwechsel warnen, also davor, dass plötzlich ein Geschöpf des Waldes auf die Fahrbahn springt. Der Gesetzgeber hat den Hirsch als Symbol gewählt. Was nicht heißt, dass da auch plötzlich ein Reh oder Wildschein aus dem Wald prescht. „Beim genaueren Betrachten wird erst die wahre Gefahr bewusst. Ein Hirsch. Ein springender Hirsch“, schreibt der Innehaltende und stellt fest: Er ist „etliche 100 000 Kilometer“ mit dem Auto gefahren in seinem Leben. Einen Hirsch habe er dabei nur gesehen, wenn er „entlang des Wildparks in Dudweiler“ unterwegs war. Daraus ergibt sich für den Mann aus Fischbach die entscheidende Frage: „Warum also ein Hirsch?“ „Man hätte genauso gut eine Antilope, Giraffe oder gar ein Einhorn als Sinnbild der eventuell nahenden Gefahr auf das Verkehrsschild bringen können. Denn die begegnen einem genau so oft auf Deutschlands Straßen“, schreibt der aufmerksame Beobachter. Die ganz große Geschichte also? Der Anfang vom Ende einer jahrzehntelangen Irreführung? Nicht ganz. Eine erste Recherche ergibt sehr schnell: Der Hirsch ist auf Deutschlands Straßen durchaus ein Problem. Der ADAC spricht von einigen Tausend Unfällen mit Hirschen. Deshalb hat die Schutzmacht der deutschen Autofahrer den Zusammenstoß von Wagen und Wild auf ihrer sogenannten Crashbahn auch nicht mit einem Wildschwein oder einem Reh simuliert. Dem Testauto stand ein Hirsch im Weg, 55 Kilogramm schwer, 93 Zentimeter Schulterhöhe. Und weil wie bei Fernsehshows und in Filmen kein Tier zu Schaden kommen sollte, war der Hirsch aus Kunststoff. Im richtigen Leben, also dem jenseits der ADAC-Teststrecke, kommen durchaus Tiere zu Schaden. Auch Hirsche, immer wieder, bedauern zum Beispiel Unfallversicherer und Jäger. Schade, eigentlich. Das mit dem Hirsch-Komplott wäre zu schön gewesen. Aber Moment mal! Innehalten. Und schon zeigt sie sich die Frage, hinter der vermutlich die wahre Verschwörung lauert: Warum springt der Hirsch eigentlich von rechts nach links?