Der Fall Colin Kaepernick Der amerikanische Alptraum

Der Fall des Football-Profis Colin Kaepernick spaltet seit Jahren die amerikanische Gesellschaft - und nun auch das ein oder andere Saarbrücker Wohnzimmer.

 Alexander Stallmann

Alexander Stallmann

Foto: SZ/Robby Lorenz

Als ich kürzlich folgende Nachricht las, verstand ich nur Bahnhof: US-Präsident Donald Trump ist für ein Comeback des Football-Profis Colin Kaepernick. Die Geschichte des Colin Kaepernick war mir kaum bekannt. Und ich konnte mir vor allem nicht ausmalen, was Trump damit zu tun haben soll. Ich fragte einen footballbegeisterten Freund, was es damit auf sich hat. Er erzählte mir, dass es zum Fall Kaepernick derzeit eine Doku in der Arte-Mediathek gibt. Gestern Abend sahen wir sie uns an – und erfuhren eine Wahnsinns-Geschichte.

Bereits im Jahr 2016 begann Kaepernick, sich beim Ertönen der amerikanischen Nationalhymne vor einem Football-Spiel hinzuknien, anstatt stehend mitzusingen. Der damals 28-Jährige protestierte damit gegen Rassismus und Polizeigewalt. Der Protest löste heftige Reaktionen aus. Zahlreiche US-Bürger filmten sich dabei, wie sie ihre Kaepernick-Trikots verbrannten und stellten die Filme ins Netz. Sie werteten sein Verhalten als Respektlosigkeit gegenüber den Vereinigten Staaten. Donald Trump beschimpfte Kaepernick im Wahlkampf aufs Übelste. Der Football-Profi blieb bei seiner Überzeugung. Weitere Spieler in der National Football League (NFL) schlossen sich Kaepernicks Protest an. Er dauert bis heute. Allerdings ohne Kaepernick. Er hat nämlich 2017 sein letztes Spiel absolviert und seitdem keinen Vertrag mehr bekommen. Experten sind sich einig, dass das nichts mit seinen Fähigkeiten zu tun hat.

Die Arte-Doku trägt den Untertitel „Ein amerikanischer Held“. Über die Frage, ob Kaepernick tatsächlich ein amerikanischer Held oder vielmehr der amerikanische Alptraum ist, streiten sich Millionen US-Bürger seit Jahren. Die einen sehen in ihm einen engagierten Bürgerrechtler, der für die Rechte der Schwarzen kämpft. Andere nennen ihn einen Verräter, der die Hymne und damit das Vaterland verunglimpft hat. Mein Freund war der Meinung, dass Kaepernicks Protest zwar richtig ist, er aber nicht ins Stadion gehört. Politische Statements hätten im Sport nichts zu suchen. Ich bin der Meinung, Protest gehört genau dorthin, wo die Menschen ihn sehen können. Und damit ist er in einem Stadion der NFL, der wichtigsten Sportliga der Welt, bestens aufgehoben.

 ARCHIV - 02.10.2016, USA, Santa Clara: Colin Kaepernick (M), Eli Harold (L) und  Eric Reid (R) von den San Francisco 49ers knien bei Abspielen der US-Nationalhymne vor dem NFL-Spiel gegen die Dallas Cowboys im Levi's Stadium. Wie schon am 14. August 2016 protestierte Kaepernick damit gegen Polizeigewalt und Unterdrückung. (zu dpa "Von Black Power bis Justice for George: Sport als politische Bühne") Foto: John G Mabanglo/EPA/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

ARCHIV - 02.10.2016, USA, Santa Clara: Colin Kaepernick (M), Eli Harold (L) und Eric Reid (R) von den San Francisco 49ers knien bei Abspielen der US-Nationalhymne vor dem NFL-Spiel gegen die Dallas Cowboys im Levi's Stadium. Wie schon am 14. August 2016 protestierte Kaepernick damit gegen Polizeigewalt und Unterdrückung. (zu dpa "Von Black Power bis Justice for George: Sport als politische Bühne") Foto: John G Mabanglo/EPA/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/John G Mabanglo

Stadion hin, Hymne her. Klar ist, Kaepernick hat jede Menge Mut bewiesen. Er hat seine Karriere und damit große Privilegien aufs Spiel gesetzt, um für seine Überzeugung einzutreten – ohne daraus einen persönlichen Vorteil zu ziehen. Er hat in Kauf genommen, dass viele Menschen ihn hassen, um den Schwächeren der Gesellschaft seine populäre Stimme zu geben. Ich schätze, damit ist Colin Kaepernick wohl beides: ein Held und für manchen trotzdem ein Alptraum.

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