So kann’s gehen Die Briefmarken-Automatendiva

Briefe zu schreiben, ist im E-Mail-Zeitalter zwar für den Alltag ein bisschen aus der Mode gekommen. Aber es bleibt ein schöner Brauch, den man weiter pflegen sollte. Wären da nur nicht arge Hindernisse beim Erwerb der nötigen kleinen Papierchen.

Kolumne: Briefmarken am Automaten kaufen
Foto: SZ/Robby Lorenz

Was, niemand verschickt mehr echte Briefe? Aber warum nur? Dabei hat man doch sogar die kundenfreundliche Wahl zwischen der Postagentur – geöffnet von 11 bis 11.15 Uhr, maximal ein Schalter von fünf besetzt, 500 Meter Anstehen – und dem Automaten – harmloses Aussehen, aber teuflische Tücken.

Postschalter sind eine anachronistische Parallelwelt, in der Klischee-Beamte Formulare in Steintafeln meißeln, Brieftauben füttern oder Telefaxe empfangen, mit einer ganz eigenen Kombination aus Zeitlupe und Unfreundlichkeit. In der nur millimeterweise vorkriechenden Warteschlange zwischen RAF-Fahndungsplakaten und Rolf, der Hand, die die „neuen“ Postleitzahlen anpreist, sehen die Kunden derweil langsam ihre Lebenszeit zerrinnen. Doch es gibt ja den Automaten.

Man braucht für ihn nur ein, zwei Stunden Zeit, ein unerschütterliches Nervenkostüm und natürlich Kleingeld. Sie haben es nicht passend? Kein Problem! Der Automat gibt selbstverständlich raus. „Möchten Sie Ihr Rückgeld in Marken?“ Niemand auf der Welt möchte das, aber nur der Anfänger drückt jetzt „Nein“, sonst fängt alles nochmal von vorne an: Geld aus der Schmutz-Lade pulen, Marke auswählen und danach bedächtig, aber nicht zu sehr, die Münzen rhythmisch nacheinander in den Schlitz stecken – auf keinen Fall zu schnell, denn dann fallen alle durch. So lange, bis die Automatendiva alle Münzen akzeptiert, ein Glücksspiel; dann bei der Rück­geldfrage unbedingt „Ja!“ drücken.

Passend zu zahlen, ist ohnehin praktisch unmöglich, denn das Porto kostet 72 oder 82,5 oder 135,33 Cent, und Centmünzen rutschen immer durch. Immer. Aber kein Problem, das Rückgeld kommt ja, in Marken, da lässt sich die Post nicht lumpen.

Und dann kann man der heimischen Briefmarkensammlung die 128. Zwei-Cent-Marke hinzufügen. Oder den Ofen damit heizen. Oder mal einen sehr großen Umschlag mit gesammelten Kleingeld-Marken frankieren, beidseitig eng beklebt. Denn beim Tauschabend der Briefmarkenfreunde wird man die eher nicht los.

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