Kolumne Scotty ist weg

Das neue Jahr ist ein bisschen leerer losgegangen. Damit meine ich das Haus meiner Mutter, da fehlt seit einem halben Monat der Typ, der gern mitten in der Nacht mit seinem ganzen Gewicht auf die Klaviertasten haut: Scotty.

 Alexander Manderscheid

Alexander Manderscheid

Foto: SZ/Robby Lorenz

Der schwarz-weiße Kater, der in den vergangenen sechs Jahren kein Interesse daran gezeigt hatte, sich auf seinen dicken Pfoten nach draußen zu schwingen, hat einen Hausputz mit offenen Balkontüren genutzt, um gemütlich-kultivierten Schrittes zwischen Wiese und Schuppen zu verschwinden. Einmal noch war er nachts beim Nachbarn zu sehen, seitdem ist er quasi wie weggebeamt.

Was der jetzt wohl so treibt? Natürlich war ich ihn mal suchen und habe dabei allerlei gefunden: einen toten Kampfhund im Keller eines verlassenen Hauses, dessen Tür katzenartig aufstand, die verrostete Karosse eines Autos aus den Fünfzigern im Unterholz des nahen Waldes. Aber von Scotty keine Spur.

Vor drei Tagen gab es dann aber wieder mal eine gute Nachricht: Der Nachbar will ihn hinter unseren Häusern gesehen haben. Das hat direkt für gute Laune gesorgt, hat Scotty doch den Ruf, über einen recht bescheidenen geistigen Horizont zu verfügen, da er nicht mal angelehnte Türen öffnen kann: Ob er sich verlaufen hat, zurückkommen will, das Haus aber nicht mehr findet? Von wegen. Vielleicht steckt in dem Kater mehr, als wir alle denken, wartet vor den angelehnten Türen sophisticated wie ein feiner Graf, bis sie ihm jemand aufhält. Also, Scotty, wenn Du gerade in einem Café sitzt und das hier wider Erwarten in der Zeitung liest: Komm zurück und spiel uns noch ein paar von deinen schönen Sonaten.

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