Ist der Rücksichtsvolle der Dumme?

SZ-Mitarbeiter Hans-Christian Roestel liebt gute Umfangsformen. Und litt neulich beim Mittagessen im Möbelhaus an der Unhöflichkeit seiner Tischnachbarin.

Große Tische, viel Platz, freundliche Menschen, oft Eltern mit Kindern - und meist auch wohlerzogene: Das jüngste Mittagessen bei einem großen Möbelhaus geht dennoch nahezu gründlich daneben. Zwar ist das Mittagessen genießbar, war der Ausflug zuvor auch ein schöner. Doch plötzlich bekommt der Tisch von einer jungen Mutter einen heftigen Stoß, rückt einige Zentimeter weiter, der Inhalt der Kaffeetasse ergießt sich halb über den Tisch. Ihr Begleiter - ob Mann oder Freund, spielt hier ja keine Rolle - und ein kleiner Junge hatten sich zuvor bereits gesetzt, der Kinderwagen war halbwegs eingeparkt. Begleitet wird der Stoß an den Tisch mit einem schnippischen "Entschuldigung!" Mein irritiert-fragender Blick bleibt zunächst ohne Reaktion. Schließlich frage ich direkt, was jetzt passieren solle, deute auf die Tasse. Der kleine Junge schaut auch etwas betreten. Ob er ahnt, was da nicht stimmen konnte?

Die folgende Bemerkung, ich solle mich nicht aufregen, der Kaffee sei doch schließlich umsonst, erzeugt bei mir nur eine Wirkung: Ärger. Schließlich geht es mir nicht um den Kaffee. Ich will außer der Entschuldigung auch einen sauberen Tisch.Vielleicht könnte die junge Dame ja auf die Idee kommen, ein Papiertuch zu holen oder dies zumindest anzubieten? "Dafür sind doch die Leute hier, die werden schließlich dafür bezahlt!" Hhhmmm. Sicherlich richtig. Doch wenn man etwas verschuldet habe, sollte man doch auch etwas die Folgen bedenken. Darauf die prompte Antwort: "Das ist doch dann nicht meine Sache!"

Später lenkte ich die Schritte aus dem Laden - und dachte an einen Buchtitel von Ulrich Wickert , "Der Ehrliche ist der Dumme". Der Rücksichtsvolle wohl meist auch.

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