Lauschen im Bus Ungewollt im Leben der anderen

Im Bus ist man immer wieder ungewollt Zuhörer. Und da dringen auch Geschichten in Ohren, die dafür nicht bestimmt sind, die den Lauscher demütig machen können.

 Martin Rolshausen

Martin Rolshausen

Foto: SZ/Robby Lorenz

Wer Bus fährt, lernt, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen. In Bussen wird der Fahrgast, wie das offiziell heißt, nämlich mitunter hineingezogen ins Leben der anderen. Und in diesen Leben wird manchmal mit Problemen gerungen, die man nicht gegen seine eigenen tauschen möchte.

Vor einigen Tagen bin ich unbeabsichtig reingerutscht ins Leben einer älteren Dame. Sie saß im Bus direkt hinter mir. Ich konnte gar nicht anders, als das Gespräch, das sie mit einer Bekannten führte, zu verfolgen. Die beiden redeten recht deutlich. Wenn ich alles richtig verstanden habe, gibt es irgendwo eine Firma, die wirklich gute Perücken zu einem fairen Preis macht. Die alte Damen kam richtig ins Schwärmen. Dass ihr diese Firma jeden Monat einen Prospekt mit neuen Angeboten schickt, fand die alte Dame dann aber doch etwas übertrieben. Sie könne sich ja nicht jeden Monat eine neue Perücke kaufen. Und für die Firma sei das ja auch teuer, so oft Post zu verschicken. Die alte Dame teilte also der Firma mit, dass sie die Prospekte nicht mehr schicken soll. Sie hofft, dass die Firma das verstanden hat, erzählte sie ihrer Bekannten, denn sie habe den Brief von Hand schreiben müssen. Das Geschäft, in dem sie immer die Farbbänder für ihre Schreibmaschine gekauft hat, habe nämlich zugemacht.

Perücke, Farbband. Plötzlich war ich dankbar für die Dinge, die ich an diesem Tag zu erledigen hatte.

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