Honig kann staatstragend sein

Saarbrücken für Fortgeschrittene · Beethoven als Instrument der politischen Auseinandersetzung? Der Typ, den ich sonst als recht ruhigen Menschen kenne, war ziemlich sauer. "So was geht nicht", fand er. Und schlimmer noch: "Jemand, der von unser aller Steuergelder bezahlt wird, muss sich staatstragend verhalten.

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Foto: Robby Lorenz

" Das klang ein wenig wie der Satz, den Väter angeblich sagen: "So lange Du Deine Füße unter meinen Tisch stellst..." Nur dass es in diesem Fall nicht um ein ungezogenes Kind geht und auch nicht um Ludwig van Beethoven , sondern um 120 Mitarbeiter des Mainzer Staatstheaters. Die haben vor einigen Wochen Beethovens "Ode an die Freude" gesungen - bei offenem Fenster und recht laut. Dafür gab es eine Anzeige von der Polizei , weil vor dem Theater die AfD eine Kundgebung veranstalten wollte, aber wegen des Gesangs nicht konnte.

Er halte ja auch nichts von der AfD, erklärte mir der Staatstragende. Aber weil Theaterleute vom Staat entlohnt werden, dürfen sie Parteien, die nicht verboten sind, nicht stören - und müssen damit in so einem Fall die Klappe halten. Finde ich nicht. Als sich Mitarbeiter des Staatstheaters Anfang des Jahres bei der "Bunt statt braun"-Demo gegen Fremdenfeindlichkeit mit einem "Nein zu Pegida!"-Transparent in die Schar der 9000 Demonstranten eingereiht haben, war das ein gutes Zeichen. Dass sich Saarbrücker Theaterleute in diesem Winter für Flüchtlinge engagieren, auch.

Dafür, dass mich dieses Theater nicht nur auf der Bühne immer wieder aus festgefügten Gedankengebäuden reißt, bin ich dankbar. Dass sich unser Saarbrücker Theater, das sehr unterhaltsam sein kann, sich trotzdem nicht nur als staatliche Unterhaltungsabteilung versteht, finde ich wunderbar. Und dass vom Staat bezahlte Künstler ihr Herz und ihr Hirn nicht an der Garderobe abgeben, finde ich beruhigend. Dem Staatstragenden, den ich deswegen neulich so sauer wie selten erlebt habe, empfehle ich, sich an der Theaterkasse etwas Süßes zu kaufen. Dort gibt es wieder Saarbrücker Theaterhonig. Im Staatstheater tummeln sich nämlich Menschen, die gute Hobby-Imker sind und Bienenstöcke auf dem Dach des Theaters pflegen. Es kann also niemand sagen, dass Staatskünstler nicht auch in der Lage sind, uns Honig um den Mund zu schmieren.

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