Endstation Chaos

So kann's gehen · Die Deutsche Bahn würde gern den Fernverkehr mit Geld der Bundesländer aufwerten. SZ-Mitarbeiter Brian Erbe sieht an anderer Stelle Handlungsbedarf.

"Die Anfahrt des Zuges verzögert sich aufgrund von Störungen im Betriebsablauf um fünf Minuten. Wir bitten um Entschuldigung." Solche Sätze höre ich fast jeden Tag am Bahnsteig. Wie gut, dass meine Geduld kleine Wartezeiten verkraftet.
Wenn aber die freundliche Stimme einer sicherlich totbeschämten Bahnmitarbeiterin eine stetig wachsende Verzögerung kundtut, erreicht auch meine Akzeptanz ihre Grenzen. Und sollte dann am Ende gar der Totalausfall des Zuges verlautbart werden, ist die Atmosphäre am Bahnsteig vergleichbar mit dem Vorabend der Französischen Revolution. Und tatsächlich war ich dieses Jahr fast so weit, den Infopoint am Saarbrücker Hauptbahnhof mit Fackel und Heugabel auf meinen Unmut hinzuweisen. Alles begann mit einer jährlichen Großveranstaltung und ihren Auswirkungen.

Obwohl tausende Sportbegeisterte an diesem Tag zum Saarbrücker Hauptbahnhof pilgerten, glaubte ich fest an das Organisationstalent der Deutschen Bahn. Kurz nachdem ich diesen Vertrauensvorschuss geleistet hatte, wurde mir und der wartenden Menge schon der Ausfall des Zuges mitgeteilt.

Diese umsichtige und alles in allem bewundernswerte Entscheidung führte aufgrund der zuströmenden Massen innerhalb von zehn Minuten zu einem solchen Gedränge am Bahnsteig, dass man nur versuchen konnte, die Gedanken an die Folgen einer Massenpanik zu verdrängen. Die mühsam bewahrte Ruhe der Wartenden löste sich mit der Ankunft des Zuges vollends auf. Quetschend und schubsend drängten sich aufgebrachte Passagiere in das viel zu kleine Gefährt, während Angestellte der Bahn tatenlos das Spektakel bestaunten.

Doch nach diesem Kampf um das Reiserecht ließ die Bahn mich noch einmal teilhaben an ihrer Weisheit. Nachdem schließlich ein Zug so voll war, dass selbst das Atmen zu einem Akt der Anstrengung wurde, kam ein weiterer Sonderzug herbei.

Er blieb nahezu leer. So fuhren letztlich Geisterwaggons und ein Personentransport, wie er aus Indien stammen könnte, zum Veranstaltungsort. Das Krisenmanagement der Bahn in Aktion.

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