Die Sache mit den Bräuchen

Unsere Woche · Mai-Auftakt und Hexennacht sind nicht mehr, was sie mal waren, meint SZ-Redakteurin Doris Döpke. Aber ohne Bedauern.

Mit Bräuchen ist es so eine Sache. Sagen wir es frei nach Karl Valentin : Bräuche sind schön - aber sie machen viel Arbeit. Meist ehrenamtliche Arbeit. Dafür ist heute bei vielen Menschen das Zeitbudget knapper als früher. So werden Traditionen nicht mehr überall gepflegt. Ein Maibaum in jedem Dorf, jedem Stadtteil, das war einmal.

Ganz nebenbei sind damit auch die munteren Maibaum-"Kriege" Geschichte, die traditionell "verfeindete" Nachbarn einst gegeneinander ausfochten. Wehrden und Geislautern etwa. Enorme Anstrengung wendeten Vereine aus dem einen Stadtteil daran, dem anderen Stadtteil den Maibaum zu mopsen. Wobei man den eigenen Baum strengstens vor langfingrigen Nachbarn hütete. Oder ihn, sofern doch geklaut, schleunigst wieder in die eigenen Hände zu bekommen suchte. Lustige Geschichten waren das, sie reizen auch beim Nachlesen noch zum Lachen. Zum Nachmachen offenbar nicht mehr. Wehrden hat inzwischen einen Ganzjahres-Baum, so grundsolide verankert, dass er jede schnelle Nachtaktion vereitelt. Freilich war schon zu Zeiten des Maibaum-Klaus niemandem recht klar, worauf sich die Nachbar-"Feindschaft" gründete. Jetzt scheint sie vergessen. So gesehen, hat es Charme, dass die (feucht-)fröhlichen Mai-Kriege zu Ende sind: Keiner braucht sie mehr.

Zudem scheint sich herumzusprechen, dass auch die üblichen Hexennacht-Streiche eine ziemlich sinnfreie Sache sind. Zeitenwandel - wahrlich kein Anlass für Nostalgie.

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