Die Kegelbahn und das Wagnis der Demokratie

Unsere Woche · Manchmal nehmen Gespräche oder Diskussionen einen Verlauf, der selbst die Beteiligten in ungläubiges Staunen versetzt. So auch am Donnerstagabend dieser Woche im Sitzungssaal des Sulzbacher Rathauses. Im öffentlichen Teil der Stadtratssitzung ging es beim Tagesordnungspunkt 3 eigentlich um eine Formalie. Der Bürgermeister sollte "zu Auftragsvergaben für das Bauvorhaben Sanierung der Sporthalle im Sportzentrum am Quierschieder Weg" ermächtigt werden. Dieses Vorhaben ist längst beschlossene Sache, sodass davon ausgegangen werden durfte, dass die Zustimmung ohne Aussprache erteilt wird. Doch sowohl einige Stadtverordnete als auch Besucher rieben sich vor Erstaunen die Augen, als plötzlich die Zukunft der Kegelbahn im Sportzentrum die Beratungen dominierte. Frank Mayer, einer von zwei SPD-Fraktionsvorsitzenden, berichtete von einem Anrufer, der ihm am Tag zuvor erzählt habe, die Kegelbahn falle den Baumaßnahmen endgültig zum Opfer. Und hierbei ereiferte sich Mayer, dass er das nicht von der Verwaltung erfahren habe, sondern in einem privaten Telefonat. Dabei sprang ihm seine Genossin Brigitte Heckmann zur Seite, die beklagte, dass sie sich schon des Öfteren von der Verwaltung nicht rechtzeitig und umfassend informiert gefühlt habe. Dem widersprach Bürgermeister Michael Adam mit dem Hinweis, dass die dauerhafte Schließung der Kegelbahn noch nicht völlig entschieden sei. Außerdem sei ja die Sitzung dazu da, die Räte über die aktuellen Entwicklungen zu informieren. Jetzt sprang ihm Steffen Banuat, Leiter des Fachbereichs Bauen und Umwelt zur Seite, der mit Hinweis auf die Terminlage und laufende Gespräche die Diskussion zurück auf eine sachliche Basis stellte. Mayer seinerseits untermauerte die Interessenlage von Keglern und Wirt zur Fortführung der Kegelbahn nach dem Umbau des Sportzentrums.

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Foto: Robby Lorenz

Die Verwaltung musste daraufhin nochmals die Sachlage darstellen, wonach beim Umbau der Halle (in deren Keller liegt die Kegelbahn) aus Sicherheitsgründen ein zweiter Fluchtweg eingerichtet werden müsse. Das sei aber unverhältnismäßig teuer, sodass als Alternative lediglich die endgültige Schließung der Bahn in Betracht komme. Und genau davon ging Adam in der Sitzung ("momentan") aus. Das letzte Wort sei aber noch nicht gesprochen.

Die Diskussion entwickelte eine solche Eigendynamik, dass der Sitzungsleiter vergaß, einen Antrag von Dietmar Holzapfel (Freie Wähler ) zur Geschäftsordnung abstimmen zu lassen. Holzapfel hatte beantragt, den Tagesordnungspunkt mit der Abstimmung über die Ermächtigung des Bürgermeisters abzuschließen und über die Kegelbahn unter "Mitteilungen und Anfragen" zu sprechen. Letztlich wurde Adam übrigens vom Stadtrat einstimmig ermächtigt.

Was öffentliche Information angeht, könnten sich im Übrigen der Sulzbacher Stadtrat und die Verwaltung eine große Scheibe abschneiden vom Prozedere in den Nachbarkommunen Friedrichsthal und Quierschied.

In Ersterer wird im öffentlichen Teil zu Beginn der Beratungen über die Niederschrift der vorhergehenden Sitzung gesprochen. Nachdem eventuelle Einwände geltend gemacht und in die schriftliche Vorlage, die mit der Einladung zur Sitzung und deren Tagesordnung verschickt wurde, eingearbeitet wurden, wird die abschließende Fassung von den Gremiumsmitgliedern verabschiedet. Doch damit nicht genug: Die Niederschrift der Stadtratssitzungen ist im Internet nachzulesen. Auch für die Gemeinde Quierschied gilt, dass die (in den Fraktionen nicht öffentlich) genehmigte Niederschrift im Internet für jedermann nachzulesen ist.

Die Sulzbacher Genossen könnten also gemäß dem Slogan ihres ehemaligen Vorsitzenden Willy Brandt "mehr Demokratie wagen" für alle frei zugängliche Informationen über die Stadtratssitzungen (Niederschrift) ermöglichen. Warten wir ab, ob die Genossen (oder andere) so viel Demokratie wagen wollen.

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