Der Eigenbrödler in der Küche

Mitten im Leben · Schau mal, der Wein ist verkorkt, der Knoblauch zu scharf, das Hackfleisch heiß - es brät gerade an -, die Zuckerdose ist hermetisch verriegelt und das Brot im Kühlschrank. Was also willst du hier?" Ich rede mit ihr, doch sie hört nicht hin. Ich habe die Ellenbogen auf der Arbeitsplatte aufgestützt und betrachte sie. ,,Wo sind eigentlich deine Leute? Normalerweise marschiert Ihr hier in starken Truppenverbänden auf?" Wieder keine Reaktion. Statt dessen krabbelt sie die glatten Fliesen rauf und wieder runter, die Fugen werden auch erobert, und langsam tut sie mir leid. Die Ameise hat sich vermutlich verirrt. Jeden Abend treffe ich sie in der Küche an und wundere mich, dass sie allein unterwegs ist. Zur Ämätz passt das ganz und gar nicht. Sie ist gesellig, man weiß es aus leidvoller Erfahrung. Vielleicht gibt's aber auch unter Ameisen Eigenbrödler, Singles und vom Leben Enttäuschte, die nie wieder jemanden an sich heranlassen. Die nur noch essen wollen und schlafen. Das kleine schwarze Lebewesen kann darauf keine Antwort geben.

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Foto: Robby Lorenz

Wenn ich ihr jetzt etwas Leckeres hinstelle, ist das der saisonale Untergang. Wie vor zwei Jahren, als die Kollegen durchs Haus auf Streifzug gingen, weil sie irgend etwas Essbares fanden oder vermuteten. Dann aber schnappte die Falle in Form eines giftigen Köders zu, und Ruhe kehrte ein.

Kleiner, such Dir ein neues Volk, ich wünsch' Dir viel Glück. Und sag den Kumpels Bescheid, dass hier nichts zu holen ist. Wenn nicht, kommt morgen der Ameisenbär!

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