Verwaltungssprache „Ihr könnt uns mal“ in 36 Zeilen.

Die Bürgerinnen und Bürger sollen mitreden, sagt die Politik. Das Problem beginnt beim Mitlesen.

 Martin Rolshausen

Martin Rolshausen

Foto: SZ/Robby Lorenz

Die Aneinanderreihung vieler Wörter deutet manchmal auf wenig Wertschätzung hin. Ich habe sie nicht gezählt, die Wörter, die das Oberbergamt des Saarlandes vor einigen Tagen in einer offiziellen Bekanntmachung gebraucht hat, um den Adressaten, uns Bürgerinnen und Bürgern nämlich, zu sagen: Ihr könnt uns mal! Aber Stefan Weszkalnys, ein engagierter Saarbrücker Bürger und Zeitungsleser, hat die Zeilen gezählt, die der erste Satz dieser Bekanntmachung umfasst: Es sind 36.

Es geht in dem Text, wenn ich das richtig verstanden habe, um die Verlegung einer Gashochdruckleitung durch verschiedene Städte und Gemeinden. In kleiner Schrift, oder wie Stefan Weszkalnys sagt: „unverschämt kleiner Schrift“, braucht die Behörde in der Tat 36 Zeilen bis zum ersten Punkt. Wer sich bis dorthin konzentrieren und der Fachsprache der Beamten folgen konnte, erfährt am Ende, dass irgendetwas „festgestellt“ ist. Das bedeutet wohl: Das Amt hält etwas für in Ordnung. Und wer nach diesem ersten Satzende-Punkt noch nicht aufgegeben hat, wird belehrt, dass er innerhalb eines Monats Klage gegen dieses Inordungfinden einreichen kann. Die Größe der Schrift, die Umständlichkeit der Formulierungen, das Fehlen jedes Versuchs, etwas klar und deutlich zu erklären, lässt nur zwei Schlüsse zu: Das Oberbergamt, eine nachgeordnete Behörde des saarländischen Wirtschaftsmiunisteriums, hält uns Bürgerinnen und Bürger für Genies, gewaschen mit allen Wassern der Amtssprache und der Juristerei. Oder:  Die Beamten nehmen die Politik nicht ernst, die uns immer erzählt, wie wichtig Bürgerbeteiligung ist.

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