„Das halbe Leben besteht aus Warten“

So kann's gehen · Rote Ampel, lahmer PC und minutenlang zu viel Wasser im Kaffeefilter. Es besteht kein Zweifel: Wir verschwenden unsere Zeit. Aber warum nur?

Ich erinnere mich noch gut an ein Praktikum, das ich als Schülerin mal in einem Krankenhaus gemacht habe. Geduld gehörte zum Job dazu. Auch dann, wenn ich im Erdgeschoss auf und ab lief und auf den Fahrstuhl wartete.

Im Gedächtnis blieb mir ein Moment, in dem ich den Aufzug betrat und einen strahlenden älteren Herrn antraf. Er nickte bedächtig mit dem Kopf und sagte nach ein paar Sekunden unvermittelt: "Das halbe Leben besteht aus Warten." Jetzt, Jahre später, stelle ich fest: Der merkwürdige Mensch im Aufzug hatte Recht.

Auch eine Auflistung auf der Webseite "jetzt.de" untermauert die Warte-Hypothese. Dort steht beispielsweise, dass der Mensch 140 Tage seines Lebens in der Telefon-Warteschleife verbringt. Mehr als viereinhalb Monate! Eine halbe Schwangerschaft. Ein ganzer Winter samt halbem Frühling.

Als ob das nicht schon traurig genug wäre, warten wir auch noch täglich auf Bus und Bahn, auf die grüne Ampel, darauf, dass das Wasser durch den Kaffeefilter läuft und der PC endlich hochfährt. Manche warten sogar jahrelang - obwohl sie die Realität schon mehrmals eines Besseren belehrt hat - auf die große Liebe. Wir warten und träumen. Apropos Träume. "Jetzt.de" hat auch diese herrliche Erkenntnis zu bieten: "23 Jahre verbringt der Deutsche im Schlaf - dabei verschluckt er unbemerkt acht Spinnen, die über die Bettdecke krabbeln."

Nach dieser Lektüre lässt meine Schlussfolgerung nicht lange auf sich warten: Bevor ich wieder unnötig Geduld für irgendetwas oder irgendwen aufbringe, lege ich mich lieber noch mal hin. Aber natürlich nur mit Spinnen-Mundschutz.

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