Lesen ohne Bildschirm Appell vor Weihnachten: Schenkt den Kindern Bücher statt Smartphones

Meinung · Weihnachten steht vor der Tür, Geschenke werden gekauft. Und wieder werden unterm Christbaum vor allem elektronische Spielsachen liegen. Man will den Kindern ja eine Freude machen. Aber ob man ihnen damit auch etwas Gutes tut, steht auf einem ganz anderen Blatt.

 Gemeinsam ein Buch lesen, das ist nicht nur ein schönes Erlebnis mit viel Nähe für Vater und Kind, für den Nachwuchs ist das Lesen eine Schlüssel zum späteren Verständnis der Welt.

Gemeinsam ein Buch lesen, das ist nicht nur ein schönes Erlebnis mit viel Nähe für Vater und Kind, für den Nachwuchs ist das Lesen eine Schlüssel zum späteren Verständnis der Welt.

Foto: Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V./DVE/Janine Metzger

Kürzlich im Nahverkehrszug. Eine junge Mutter steigt ein, setzt ihren 14 Monate alten kleinen Jungen auf die Bank und drückt dem Baby sogleich das Smartphone in die Hand, auf dem mit lautem Gedudel irgendein Filmchen läuft. Der Kleine starrt wie hypnotisiert auf das bunte Geflimmer. Er sieht nicht die Menschen um sich herum, er bemerkt nicht, wie der Zug anfährt, er sieht nicht, wie die Landschaft vorbeizieht. Er verpasst die ganze Welt. Aber Mama hat ihre Ruhe.

Eine ganze Generation erlebt eine virtuelle Schein-Wirklichkeit

Diese Beobachtung ist leider kein Einzelfall. Eine ganze Kindergeneration wächst da gerade heran, die ihre Welt nicht mehr mit eigener Beobachtung und eigener Fantasie erlebt, sondern als virtuelle Schein-Wirklichkeit. Vor allem in sogenannten „bildungsfernen“ Schichten werden Kinder früh mit dem Handy verbunden. Mit entsprechenden Folgen für die schulische Leistung, die Konzentrationsfähigkeit. Dabei weiß heute doch jeder Hirnforscher im ersten Semester, dass zu früher Bildschirmkonsum eine gedeihliche kindliche Entwicklung gefährdet. Wie soll ein Kind eine eigene Fantasie, eigene Bildwelten entwickeln, wenn es alles vorfabriziert serviert bekommt?

Aber nicht nur bei den „Schantalls“ und „Kevins“ dieser Welt nimmt der Bildschirm immer mehr Raum ein. Quengelnde Kinder mit Handy und Fernseher ruhig zu stellen, dieser Versuchung erliegen auch andere Eltern. Weil man so gestresst ist, weil man ja auch selbst dauernd am Handy hängt. Und weil man ja gerade überhaupt keine Zeit hat, um zum Beispiel gemeinsam ein Buch zu lesen.

Wer lesen kann, versteht die Welt

Dabei ist das gemeinsame Lesen vielleicht das Allerschönste, was man mit einem Kind machen kann. Auf dem Sofa aneinander gekuschelt, ein schönes Bilderbuch oder eine spannende Geschichte gemeinsam erlesen. Das ist nicht nur gut fürs Kinderhirn, es ist auch gut fürs Mutter- oder Vaterherz.

In all den Bildungsberichten, die in schöner Regelmäßigkeit veröffentlicht werden, kann man es wie ein Mantra lesen: Kinder aus Bildungshaushalten haben bessere Startchancen ins Leben – unter anderem, weil sie später am Bildschirm hängen, dafür aber früh Kontakt mit Büchern haben. Das ist ihr entscheidender Startvorteil ins Leben. Und er hat nichts mit Geld zu tun. Man muss nicht reich sein, um mit seinem Kind zu lesen. In jeder Stadt gibt es Bibliotheken, in denen man sich kostenlos jede Art von Bilder- oder Kinderbuch ausleihen kann. Es gibt unzählige Flohmärkte oder Gebrauchtbörsen. Und für den Preis des neuesten Computerspiels könnte man stattdessen zu Weihnachten sogar ein paar ganz neue Kinderbücher kaufen. Und sie dann gemeinsam mit dem Kind lesen. Was für ein Geschenk! Denn wer lesen kann, versteht die Welt. Wer früh lernt, längere Text zu begreifen, kann sich später auch komplizierte Zusammenhänge besser erschließen – und kauft seinen Kindern dann sicher auch wieder gerne Bücher.

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