Belsazar und der Replikanten-Killer

Saarbrücken · Menetekel können tödlich sein. Das weiß ich seit meiner Schulzeit. Im Unterricht gab es wenig, was mich wirklich beeindruckt hat. Aber dieser Heinrich Heine , der hatte es drauf. "Das gellende Lachen verstummte zumal.

 Geklebte Warnung an einer Bushaltestelle. Foto: Martin Rolshausen

Geklebte Warnung an einer Bushaltestelle. Foto: Martin Rolshausen

Foto: Martin Rolshausen
 Andreas Anke spielt den Blade Runner. Foto: Björn Hickmann

Andreas Anke spielt den Blade Runner. Foto: Björn Hickmann

Foto: Björn Hickmann

Es wurde leichenstill im Saal." Hammersätze. Dann kam es "hervor wie Menschenhand". "Und schrieb, und schrieb an weißer Wand Buchstaben von Feuer, und schrieb und schwand."

Das Menetekel, wie man eine solche Unheil verkündende Warnung nennt, war dem babylonischen König Belsazar gewidmet. Nicht nur dieser offenbar sehr unangenehme Mensch, schreibt Heinrich Heine in seinem Belsazar-Gedicht, betrachtete die Flammenschrift mit "schlotternden Knien und totenblass". Auch seine Knechte saßen "kalt durchgraut" und schwiegen furchtsam. Das Schlimmste: Niemand, selbst eilig herbeigerufenen kluge Männer, konnten die Botschaft deuten. Heinrich Heine beendet das Grauen mit dem Satz: "Belsazar ward aber in selbiger Nacht von seinen Knechten umgebracht."

Andreas Anke spielt den Blade Runner. Foto: Björn Hickmann

Die Unheil verkündende Warnung, die in diesen Tagen in Saarbrücken aufgetaucht ist, kommt vergleichsweise unspektakulär daher - nämlich ohne Flammen und Geisterhand. Sie ist auch so formuliert, dass man zum Entziffern keine klugen Menschen herbeirufen muss: "Das Internet zerstört Dein Leben", steht auf Aufklebern, die an Briefkästen, Mülleimern oder Bushaltestellen prangen.

Auch wenn es Menschen gibt, die das weltweite Datennetz und seine schier unbegrenzten Möglichkeiten süchtig, einsam oder verrückt macht: Ich glaube, es besteht kein Grund zum kalten Grausen. Es ist wie mit all dem neumodischen Teufelszeug, ob es nun zum Beispiel die Elektrizität, die Eisenbahn, das Automobil, das Telefon oder der Computer war: Die "Das Ende ist nah"-Rufer sind verschwunden, wir Menschen leben weiter, die Erde dreht sich ungerührt.

Was nicht heißt, dass ich Endzeit-Geschichten nicht mag. Im Gegenteil. In der Sparte 4 des Saarländischen Staatstheaters wird gerade eine erzählt: "Der Blade Runner". Die Geschichte spielt im Jahr 2019 - was 1968, als Philip K. Dicks Roman "Träumen Androiden von elektrischen Schafen?" erschien, auf dem die 1982 verfilmte Blade-Runner-Story beruht, noch verdammt weit weg war.

Die Geschichte, die Klaus Gehre auf faszinierende Weise theatertauglich gemacht hat, erzählt von einer üblen Welt. Der Mensch hat Replikanten, Maschinen, die wie Menschen sind, zu anderen Planeten geschickt, um nach einer neuen Heimat zu suchen. Einige dieser Replikanten kommen zur Erde zurück, mischen sich unter die Menschen - was die als Bedrohung empfinden und Sonderpolizisten, die Blade Runner, losschicken, um sie zu töten. Was sie nicht töten können, ist die Frage: "Wo beginnt menschliches Dasein - im Vergessen, dass man letztendlich doch nur eine Maschine ist?"

Eine Wahnsinnsstory zwischen "Replikanten zerstören Dein Leben" und "Das gellende Lachen verstummte zumal. Es wurde leichenstill im Saal".

"Der Blade Runner" wird in der Sparte 4, Eisenbahnstraße 22/Ecke Stengelstraße am 16. Mai, am 3., 12., 13. und 16. Juni, am 2., 4., 9., 14. und 15. Juli jeweils um 20 Uhr gespielt. Karten: Tel. (06 81) 3 09 24 86,

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