Saarbrücken Wo die Dachhasen wohnen

Nicht nur auf Reisen begegnen dem Menschen fremde, verwirrende Phänomene. Nein. Manchmal reicht schon ein Blick aus dem Bürofenster für eine bizarre Entdeckung.

 Ruth Rousselange

Ruth Rousselange

Foto: SZ/Robby Lorenz

Auch in Krisenzeiten muss weitergearbeitet werden. Das hat was Beruhigendes. Meinem Büro gegenüber wird ein Hausdach saniert. Die Arbeiter sind fix, neue Sparren, neue Balken, neue Ziegel, das haben sie alles in kurzer Zeit gemeistert. Es wurde gehämmert, gesägt und mit einem riesigen Kran die neuen Balken verlegt.

Täglich konnte man die Fortschritte beobachten, mit denen das Dach seiner Vervollständigung entgegenwuchs. Das Trennblech zum Nachbardach haben die Arbeiter durch einen Aufbau verstärkt. Jetzt sieht ihr Werk eigentlich fertig aus. Als ich kürzlich herüberschaute, hat mich allerdings etwas irritiert: Auf dem dunklen Grau dieser Dächerabtrennung prangt was. Hat die Firma dort ihr Logo angebracht? Wenig wahrscheinlich, so was wäre mir an Hausdächern noch nie aufgefallen. Möglich ist’s ja trotzdem. Meine Sehschärfe ist nicht mehr die beste.

Ich setze meine Brille auf und glaube, durch konzentriertes Starren, zu erkennen, dass das Ding zwei Ohren hat. Doch, hat es, zwei lange Ohren, eine Nase, etwas wie einen Bart oder dicke Backen und zwei Kulleraugen. Entweder ist es aufgemalt oder aufgeklebt, aber es ist eindeutig ein Hase. Vielleicht ein netter Gag, ein Ausdruck der Freude über die vollbrachte Arbeit oder eine Reminiszenz an den Osterhasen, wer weiß. Es ist hier zwar nicht wie bei Helme Heine: „Es war einmal ein Hase mit einer roten Nase und einem blauen Ohr. Das kommt ganz selten vor.“ Der Dachhase hier ist eher schwarz-weiß und nein, sicher keine Katze, die ja auch scherzhaft „Dachhase“ genannt wird.

Wirklich, in dieser Höhe ist mir nie zuvor ein Hase begegnet, immerhin befinden wir uns in der zweiten Etage. Helme Heines Hase wird übrigens deshalb nicht aufgefressen, weil ihn wegen seiner seltsamen Farbgebung der Fuchs nicht erkannt hat: „Lieber Reineke, lass Dir raten, mit Brille sieht man besser…“

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