Was schadet unserem Klima? So treten wir das Klima in die Tonne

Serie | Saarbrücken · Unser Planet heizt sich auf. Schuld daran: der Mensch. Doch wo entstehen die Treibhausgase und wie können sie reduziert werden? Diesen Fragen geht die SZ in einer neuen Serie nach. Teil 1: Überproduktion.

 In den Logistikzentren des Online-Händlers Amazon landet viele Neuware im Müll. Aber auch in Privathaushalten ist Verschwendung an der Tagesordnung. Das ist nicht nur umweltschädlich, sondern auch teuer.

In den Logistikzentren des Online-Händlers Amazon landet viele Neuware im Müll. Aber auch in Privathaushalten ist Verschwendung an der Tagesordnung. Das ist nicht nur umweltschädlich, sondern auch teuer.

Foto: dpa/Swen Pförtner

„Destroy“, zu Deutsch „Zerstörung“ – so heißt eine Station in einem Logistikzentrum in Niedersachsen, das dem Konzernriesen Amazon gehört. Der Name ist Programm: Bis zu acht Mitarbeiter sind dort regelmäßig damit beschäftigt, Artikel zu vernichten, die zuvor bei dem Online-Händler angeboten wurden. Das Unglaubliche: Es handelt sich dabei um makellose Neuware.

Die Praxis, die Greenpeace mithilfe eines eingeschleusten Arbeiters aufdeckte, sorgte im Mai für Entsetzen – längst nicht nur bei Umweltaktivisten. Dabei ist die Nachricht selbst bereits alt. Dass große Unternehmen systematisch Rücksendungen, aber auch unverkauft gebliebene Artikel zerstören, ist seit Jahren bekannt. Als Grund werden hohe Lagerkosten genannt, die Vernichtung kostet die Konzerne dagegen kaum etwas. Ein Gesetz, das dieses Vorgehen unter Strafe stellt, existiert in Deutschland eigentlich seit dem vergangenem Jahr. Es wurde aber aufgrund fehlender Verordnungen bis heute nicht umgesetzt.

Produktion erzeugt Treibhausgase

Besonders ethisch ist eine solche Verschwendung nicht. Dass sie auch dem Klima schadet, ist weniger offensichtlich. Doch bei der Produktion von Konsumgütern fallen zwangsläufig Treibhausgase an. Etwas zu produzieren, nur um es anschließend wegzuwerfen, tritt das Bemühen um Klimaschutz daher buchstäblich in die Tonne.

Nicht immer geschieht dies aus unternehmerischem Kalkül. Laut eines aktuellen UN-Berichts wurden weltweit allein im Jahr 2020 931 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Das entspricht 17 Prozent der verkauften Nahrungsmittel. Den größten Anteil, nämlich im Schnitt elf Prozent, machten dabei im Jahr 2020 Privathaushalte aus. Für das Saarland sind genaue Zahlen nicht zu ermitteln, aber Umweltminister Reinhold Jost (SPD) schätzte bereits 2019, dass gut die Hälfte davon vermeidbar wäre.

Auch bei Nutzgütern verschlechtert sich die Umweltbilanz durch zu frühe Entsorgung. Beispiel Smartphones: Die verbrauchen zwar bei ihrem Betrieb Energie, aber der größte Anteil an der Klimabilanz hat dennoch die Produktion. Es ist daher besser, ein Gerät so lange wie möglich zu benutzen. Stattdessen ist im Schnitt alle 2,5 Jahre ein neues fällig – doch nicht, weil die Verbraucher unbedingt immer das neuste Modell wollen. Fehlende Software-Updates oder kaputte Akkus, die bei den meisten Handys der neueren Generationen nicht ausgetauscht werden können, zwingen zum Neukauf. Auch andere Elektro- und Haushaltsgeräte sind schon von Werk aus so konstruiert, kurz nach Ablauf der Garantiezeit kaputtzugehen. Unternehmen sprechen von „geplanter Obsoleszenz“.

Gekauft, ungenutzt, weggeworfen

Wer den Eindruck hat, dass auch Kleidung nicht mehr so viel aushält wie früher, hat Recht: Spätestens mit dem Jahrtausendwechsel boomt das Geschäft mit billig produzierten Textilien. Unternehmen wie H&M, Zara oder Primark erzielen Gewinn durch Masse: Mehrmals wechselnde Kollektionen pro Saison prägten den Begriff der „Fast Fashion“ – Wegwerfmode, die Kunden zum ständigen Neukauf verführt. Durchschnittlich 60 neue Kleidungsstücke kauft ein Deutscher im Schnitt pro Jahr. Dabei wird ein Großteil dessen, was nach der Shoppingtour im Kleiderschrank landet, selten oder sogar nie getragen – und wandert irgendwann in den Altkleidercontainer. Die weltweite Textilproduktion ist auf diese Weise verantwortlich für 1,2 bis 1,7 Milliarden Tonnen CO2 jährlich – mehr als Flugverkehr und Schifffahrt zusammen.

Von den 11,17 Tonnen CO2-Äquivalente, die jeder Deutsche laut Umweltbundesamt im Schnitt pro Jahr ausstößt, entfällt der größte Teil auf den Bereich „sonstiger Konsum“. Das entspricht 3,79 Tonnen oder 34 Prozent. Natürlich ist nicht alles davon vermeidbar, solange Unternehmen nicht verpflichtet werden, klimafreundlich zu produzieren. Dennoch ist der Anteil der Verbraucher nicht wegzudiskutieren – denn diese beeinflussen diesen Prozess durch ihre Kaufentscheidung.

Aber nicht nur das Klima leidet unter gedankenlosem Konsum und Wegwerf-Mentalität. Auch wenn viele Dinge im Laden noch wie Schnäppchen erscheinen: Wird etwas gekauft, aber nicht benutzt oder muss früher ersetzt werden, als es eigentlich nötig wäre, kostet das die Verbraucher Geld. Bewusster Konsum, also eine bessere Planung bei den Lebensmitteleinkäufen, die Wahl von Geräten, die sich auch reparieren lassen und die Frage „Brauche ich das wirklich?“ – hilft also doppelt: einerseits dem eigenen Geldbeutel, andererseits dem Klima.

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