Serie Was schadet unserem Klima? Klimaschutz beginnt auf dem Teller

Serie | Saarbrücken  · Unser Planet heizt sich auf. Schuld daran: der Mensch. Doch wo entstehen die Treibhausgase und wie können sie reduziert werden? Diesen Fragen geht die SZ in einer neuen Serie nach. Teil 3: Ernährung.

  Fleischproduktion wie am Fließband: Das ist nicht nur eine unangenehme Vorstellung, sondern schädlich für das Klima. Massentierhaltung und unsere Ernährung sind für mehr CO 2 -Ausstoß verantwortlich als der Verkehrssektor.

Fleischproduktion wie am Fließband: Das ist nicht nur eine unangenehme Vorstellung, sondern schädlich für das Klima. Massentierhaltung und unsere Ernährung sind für mehr CO 2 -Ausstoß verantwortlich als der Verkehrssektor.

Foto: dpa/Friso Gentsch

Unsere Vorfahren hatten in der Steinzeit keine Muße für moralische Fragen rund um ihren Fleischkonsum. Das Verhältnis des modernen Menschen zur Wurst auf seinem Grill ist jedoch, sagen wir, kompliziert. Einerseits sind Haustiere geliebte Familienmitglieder, und wer ein Tier absichtlich quält, macht sich in der öffentlichen Wahrnehmung eines verachtenswertens Verbrechens schuldig. Andererseits sind die Zustände in der Fleischbranche zwar allen bekannt, doch gelten Menschen, die darauf aufmerksam machen, als genussfeindliche Moralapostel.

Mit den jüngeren globalen Entwicklungen wird die Antwort auf die Frage „Fleisch essen oder nicht?“ aber zu mehr als einer rein persönlichen Entscheidung. Die Fleischproduktion sorgt mit der Zerstörung natürlicher Lebensräume für ein engeres Zusammenrücken von Mensch und Tier, wodurch die Gefahr von Pandemien steigt – das Corona-Virus, das seinen Ursprung wahrscheinlich auf einem chinesischen Fleischmarkt hatte, ist ein eindrückliches Beispiel. In der Landwirtschaft eingesetzte Pestizide sind eine große Bedrohung für die Artenvielfalt (Biodiversität) – Insektensterben ist nur die erste Folge davon.

Hoher CO2-Fußabdruck durch tierische Lebensmittel

Und auch die Klimakrise wird durch die Entwicklung befeuert. Laut des aktuellen „Fleischatlas 2021“, der durch die Heinrich-Böll-Stiftung herausgegeben wird, sind die fünf größten Fleisch- und Milchkonzerne für genauso viel schädliche Treibhausgase verantwortlich wie der Öl-Riese Exxon. Im Schnitt rund 15 Prozent (1,69 Tonnen im Jahr) des persönlichen CO2-Ausstoßes eines Deutschen entfallen laut Umweltbundesamt auf den Bereich Ernährung. Unter den Lebensmitteln mit dem schlimmsten CO2-Fußabdruck findet sich aber nicht nur Fleisch, sondern auch andere tierische Lebensmittel wie Butter, die mit 11 Kilo CO2 pro Kilo sogar für mehr Treibhausgase verantwortlich ist als Schwein und Hähnchen. Sehr gut schneidet dagegen Obst und Gemüse ab.

Auch Tofu, das als klassischer Fleischersatz aus Soja hergestellt wird, hat eine wesentlich bessere Klimabilanz als das tierische Original. Dabei leidet ausgerechnet die unter Vegetariern seit langem beliebte Bohne unter einem schlechten Ruf: Schließlich werden für den Anbau von Soja große Flächen des Regenwaldes abgeholzt. Dies Tofu-Liebhabern vorzuwerfen ist allerdings falsch. Ein überwältigender Teil – je nach Quelle zwischen 75 und 85 Prozent – wird nämlich als Tierfutter angebaut. Dieser Aspekt macht die fleischliche Ernährung zusätzlich ineffektiv: Um eine tierische Kalorie zu „produzieren“, müssen laut Weltagrarbericht je nach Tierart fünf bis 30 pflanzliche Kalorien verfüttert werden. Sprich: Von dem Getreide, das benötigt wird, um Fleisch zu erzeugen, das eine Person ernährt, könnten bis zu 30 Menschen satt werden.

Gerodet wird der Regenwald, dem als großer CO2-Speicher eine herausragende Stellung beim Klimaschutz zukommen sollte, aber nicht nur für Futter. Brasilien zählt zu den größten Rindfleisch-Exporteuren weltweit mit einen Marktanteil von 12,5 Prozent (Stand 2019). Zwar hat Deutschland im Jahr 2020 (bis August) wegen der Pandemie mit 5051 Tonnen rund ein Viertel weniger Rindfleisch aus Brasilien importiert als im Vorjahreszeitraum. Weltweit stiegen die Exporte aber um 12 Prozent. Die Klimabilanz von Rindfleisch ist auch durch das Methan, welches durch die Herden produziert wird, viel schlechter als die aller anderen Fleischsorten.

Der Markt für fleischfreie Alternativen wächst

57,33 Kilo Fleisch verzehrte ein Durchschnittsdeutscher im Jahr 2020 – wesentlich mehr als von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlen (300 bis 600 Gramm die Woche, also 15,6 bis 31,2 Kilo im Jahr). Dennoch stellt das bereits eine Verbesserung da: Der durchschnittliche Fleischkonsum ist seit 1991 um gut 7,5 Kilo jährlich zurückgegangen. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage gaben zehn Prozent der Befragten an, rein vegetarisch zu essen, zwei Prozent ernährten sich sogar komplett ohne tierische Produkte. Dafür boomt der Markt mit Ersatzprodukten, die einen wesentlich besseren CO2-Fußabdruck aufweisen (selbst, wenn sie importiert werden müssen). Für überwältigende Aufmerksamkeit sorgte 2019 der Börsengang von Beyond Meat, einem Hersteller veganen Hacks aus Erbsenprotein: Die Aktie des kaum von Original zu unterscheidenden Burger“fleischs“ stieg innerhalb eines Tages von 25 auf über 65 Dollar.

Auf diese Alternativen greifen inzwischen immer mehr Menschen zurück, um ihren Fleischkonsum wenigstens zu verringern. Politische Strategien zur Reduktion des Konsums fehlen allerdings bisher. Eine Fleischsteuer, die im vorletzten Jahr in Deutschland kurz diskutiert wurde, wurde nach allgemeinen Protest wieder fallengelassen. Dabei war allein die Bezeichnung schon irreführend: Es handelte sich dabei nicht um eine zusätzliche Steuer, sondern lediglich um eine Anpassung der Mehrwertsteuer für tierische Erzeugnisse von 7 auf 19 Prozent – wie sie auch für die viel klimaschonenderen Ersatzprodukte gezahlt werden muss.

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