"Mehr Menschlichkeit erreicht man nur durch mehr Menschen"

Rilchingen-Hanweiler. Beim Caritas-Aktionstag "Jetzt schlägt's 13", an dem sich vorgestern 100 katholische Altenheime im Saarland, Hessen und Rheinland-Pfalz beteiligten (die SZ berichtete), sollten Politiker sehen, wie viel Zeitdruck auf dem Pflegepersonal lastet. In Rilchingen-Hanweiler machten die Barmherzigen Brüder mit. Mehr als 50 Gäste kamen zur Diskussion

Rilchingen-Hanweiler. Beim Caritas-Aktionstag "Jetzt schlägt's 13", an dem sich vorgestern 100 katholische Altenheime im Saarland, Hessen und Rheinland-Pfalz beteiligten (die SZ berichtete), sollten Politiker sehen, wie viel Zeitdruck auf dem Pflegepersonal lastet. In Rilchingen-Hanweiler machten die Barmherzigen Brüder mit. Mehr als 50 Gäste kamen zur Diskussion. Zuvor hatten die Kommunalpolitiker Bernd Dick (SPD) und Bürgermeister Stephan Strichertz (parteilos) eineinhalb Stunden lang Pflegepersonal begleitet. Ingrid Jager, seit 33 Jahren Altenpflegerin, sagt: "Wir sind auf einer Station drei Mitarbeiter und haben zeitweise noch einen Auszubildenden. An einem Vormittag müssen wir uns um 39 pflegebedürftige Menschen kümmern. Dabei gehen die Mitarbeiter oft über ihre körperlichen und psychischen Grenzen hinaus." Der Gesetzgeber regle genau, welche Pflegearbeit wie lange dauern dürfe - vom Waschen und der Begleitung zur Toilette bis zum Anziehen. "Diese realitätsfremden Zeiten bieten keinen Spielraum für Menschlichkeit. Will ein alter Mensch sich sein Leid von der Seele reden, bleibt dafür keine Zeit. Dafür müssen wir aber alles dokumentieren, was wir tun. Und das kostet viel Zeit", sagt Jager. Fallen Kollegen krank aus, müsse eine Pflegekraft sogar mehr als 20 alte Menschen pro Vormittag versorgen. "Das Problem löst man nur, indem man Gesetze und Vorschriften ändert", findet Bürgermeister Strichertz. Den Barmherzigen Brüdern als Unternehmen sind die Hände gebunden. "Mehr Menschlichkeit in den Altenheimen erreicht man nur durch mehr Menschen. Aus eigener Kraft können wir keine zusätzlichen Mitarbeiter einstellen", sagte Günter Mosen, Geschäftsführer in Rilchingen-Hanweiler. Meldungen aus dem Publikum zeigten, wie viel Verbitterung sich angestaut hat. "In der Wirtschaft verpulvern Manager Milliarden. Die Regierung kommt dafür auf und schnürt milliardenschwere Konjunkturpakete. Warum gibt es kein Konjunkturpaket für ältere Menschen?", fragte Ulrike Burgard. Werner Focht, der stellvertretende Heimbeiratsvorsitzende, geht weiter: "Die Politik fährt doch nur auf die leistungsfähige Gesellschaft ab. Dann wird auch das Verschleudern von Milliarden verziehen. Als alter Mensch bist du nicht mehr interessant und bekommst auch nichts." Und wie viel Personal bräuchten die Barmherzigen Brüder wirklich? "Mindestens doppelt so viele Mitarbeiter in der Pflege", sagt Jager. Die jährlichen Mehrkosten von mehreren hunderttausend Euro könne das Unternehmen aus eigener Kraft nicht aufbringen, sagte Alfred Klopries, Hausoberer in Rilchingen-Hanweiler. Und für die Verlagerung der Pflege in die Familien fehle die notwendige Unterstützung der betroffenen Familienmitglieder. Die Barmherzigen Brüder planen weitere Aktionen. "Wir machen auch beim Sommerfest am 2. August auf das Pflege-Problem aufmerksam", sagte Klopries. leh

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