Fahrradfabrik zu verkaufen

Kleinblittersdorf · Beschäftigte der Firma Kettler haben Angst vor der Zukunft, seit die weit reichenden Sanierungspläne für das Unternehmen auf dem Tisch liegen. Es steckt seit Anfang Juni im Insolvenzverfahren. Die Unsicherheit reicht von der Kettler-Fahrradfabrik an der Oberen Saar bis in die westfälischen Werke des Freitzeitartikel-Herstellers.

 Mit Elektrorädern aus Hanweiler fuhren die damalige Umweltministerin Anke Rehlinger (SPD, Mitte) und ihr Tross im Juli 2012 die 13 Kilometer von Reden zum Göttelborn Förderturm. Foto: Thomas Seeber

Mit Elektrorädern aus Hanweiler fuhren die damalige Umweltministerin Anke Rehlinger (SPD, Mitte) und ihr Tross im Juli 2012 die 13 Kilometer von Reden zum Göttelborn Förderturm. Foto: Thomas Seeber

Foto: Thomas Seeber

Die Angst um die Zukunft nimmt er jeden Tag mit auf die Arbeit und nach Hause. Er liest die Appelle, weiterzuarbeiten wie bisher, findet das schwierig, vermisst Auskünfte. "Es soll Interessenten geben. Aber da fehlt Konkretes. Wo ist der Informationsfluss?" Der Mann, der anonym bleiben will, möchte wissen, ob er 2016 noch in der Hanweiler Fahrradfabrik der Firma Kettler Arbeit hat. Und ob es die 77 Kettler-Jobs an der Saar dann überhaupt noch gibt. Denn das Gesamtunternehmen mit Sitz im westfälischen Ense-Parsit durchläuft seit dem 1. Juni ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung.

Die Geschäftsführung gab ein Sanierungsgutachten in Auftrag. Würde es befolgt, verlören 397 der 1100 Kettler-Beschäftigten ihren Arbeitsplatz. Und die Fahrradproduktion in Hanweiler würde verkauft. Aber an wen? Für den Mitarbeiter steht fest, dass das saarländische Zweigwerk eine Chance verdient. Gerade jetzt. Deshalb geht er an die Öffentlichkeit.

In Hanweiler montieren Kettler-Mitarbeiter unter anderem Fahrräder mit Elektromotor. 2010 besuchte die damalige saarländische Umweltministerin Simone Peter die Produktion, machte eine Testfahrt. "Es macht Spaß. Man merkt am Berg, wie's abgeht." Wichtiger noch: Elektroräder wie die von Kettler passen ins Mobilitätskonzept der Landesregierung.
Arbeit gab's immer genug



Die Ministerin erfuhr, die Herstellungszahlen für die Strom-Zweiräder hätten sich in Hanweiler binnen eines Jahres auf 100 pro Tag verdoppelt. Erfolgsmeldungen wie diese änderten nichts daran, dass das Unternehmen in Schwierigkeiten kam. Der Mitarbeiter: "Wir hatten immer mehr Arbeit und eine positive Resonanz auf unsere Produkte, aber es kam nichts dabei rum. Wir sind nicht innovativ genug und hängen meiner Meinung nach der Konkurrenz zwei Jahre hinterher. Und wo blieben unsere Produkte für die Fitnessstudios, die die Heimtrainer abgehängt haben?" Auf die heutige Firmenchefin Karin Kettler lässt ihr Mitarbeiter von der Saar nichts kommen. "Ihr kann man die Schuld nicht geben." Sie habe viel eigenes Geld investiert, um den Laden zu retten. Der Kettler-Mann hofft, dass ein anderer Fahrradhersteller die Fabrik übernimmt.
IG Metall macht Hoffnung

Die SZ wollte von der Kettler-Zentrale wissen, wie lange die Produktion in Hanweiler noch bleibt, wenn sich kein Käufer für das Werk findet? Wo und wie die Suche nach Interessenten läuft. Kettler-Sprecherin Stefanie Risse: "Zu diesem Zeitpunkt kann die Unternehmensleitung noch nicht auf Ihre spezifischen Fragen antworten. Wir bitten Sie weiterhin um Geduld und danken im Voraus für Ihr Verständnis."

Diese Geduld ist auch den Mitarbeitern in Hanweiler abverlangt. "Wir müssen ja weiterarbeiten. Aber gute Laune hat wirklich niemand." Doch es gibt Hoffnung. Patrick Selzer, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall-Verwaltungsstelle Saarbrücken: "Ein Fahrradhersteller könnte in günstiger Lage als fertigen Standort ein kleines, schmuckes Werk übernehmen, das Einkauf, Montage und Produktion an einem Ort konzentriert." Umso wichtiger seien die Absichten von Käufern. "Wir entwickelten mit dem Betriebsrat einen Fragenkatalog: Was planen potenzielle Übernehmer?" Selzer ermutigt die Kollegen. "Da ist noch Luft drin. Aber ich verstehe die Verunsicherung in der Belegschaft."

Meinung:
Belegschaft verdient Klarheit

 Betriebsleiter Detlef Schüler zeigte der damaligen Umweltministerin Simone Peter (Grüne) 2010, wie im Werk ein Elektrorad entsteht. Inhaberin Karin Kettler (Mitte) hörte zu. Foto: Heiko Lehmann

Betriebsleiter Detlef Schüler zeigte der damaligen Umweltministerin Simone Peter (Grüne) 2010, wie im Werk ein Elektrorad entsteht. Inhaberin Karin Kettler (Mitte) hörte zu. Foto: Heiko Lehmann

Foto: Heiko Lehmann

Von SZ-Redakteur Frank Kohler

Der Stolz auf den Namen Kettler ist immer noch da bei den Mitarbeitern. Auch im Saarland. Das Familienunternehmen steht für den Kettcar, das weltweit erste Aluminiumfahrrad und für den Fitnesstrainer im trauten Heim. Doch der Glanz scheint verblasst. Nicht auf der Höhe der Zeit ist offenbar auch die Beteiligung der Mitarbeiter am Rettungskurs. Ein Sanierungskonzept, das 400 Jobs in Frage stellt, entstand ohne den Gesamtbetriebsrat. Das klang im Frühsommer noch anders. Damals beschwor Inhaberin Karin Kettler die Belegschaft, gemeinsam für das Werk zu kämpfen. Sie hat Leute, die das wollen - und können. Wenn sie nur wüssten, woran sie sind. Das interessiert auch das Landeswirtschaftsministerium. Die E-Räder aus Hanweiler passen prima ins Mobilitätskonzept des Landes. Da kann es nicht schaden, sich dort bei der Käufersuche helfen zu lassen. Nur zu!

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