Tanztheater Tanztheater erzählt von Flüchtlingsnot

Saarbrücken · Saarbrücker packen mit 60 weiteren jungen Europäern die Suche nach einem besseren Leben in packende Bilder.

 Die jungen Tänzer vor dem Haupteingang ins Staatstheater.

Die jungen Tänzer vor dem Haupteingang ins Staatstheater.

Ein riesiger Andrang herrscht vor dem Schalter einer Flüchtlingsaufnahme-Station. Alle wollen Asyl, scheitern aber an bürokratischen Hürden, bis die Situation fast eskaliert und die Flüchtlinge den Schalter stürmen. Gerade rechtzeitig kommt ein Mann und erklärt den Flüchtlingen, dass sie alle Asyl bekommen. Zuerst aber möchte er mit allen ein Handy-Selfie machen. Glücklich und zufrieden über die frohe Botschaft lassen sich alle gern fotografieren. Diese Szene stellten Jugendliche aus Saarbrücken, Nantes, Sarajevo, Targu Jiu und Katalonien in einem Tanztheaterstück nach.

„Das ganze Stück dauert 60 Minuten, und wir hoffen, dass wir es im kommenden Jahr beim Festival Perspectives in Saarbrücken aufführen dürfen“, sagt Heiner Buchen. Er ist Pastoralreferent im Dekanat Saarbrücken, das die ganze Aktion mit anderen Städten in Europa organisierte.

Zwei Wochen lang trafen sich etwa 60 Jugendliche in diesem Sommer in der spanischen Gemeinde Portbou. Ausflüge, Exkursionen, Workshops und fünf Stunden Tanzen pro Tag standen auf dem Programm. „Tanzen verbindet ungemein, und man kann damit viel ausdrücken. Aber wir hatten auch viel Freizeit und waren im Meer oder am Strand“, sagt die 16-jährige Emma.

Ihrer Freundin Fabiola ist die beklemmende Situation am Schalter noch lange im Gedächtnis geblieben. „In der Szene geht es darum, darauf hinzuweisen, dass Geflüchtete ganz schnell zu Nummern, Antragsstellern oder Migrationstouristen gemacht werden. So werden Geflüchtete oder auch Zuwanderer entmenschlicht. Dann können sie wie Dinge hin- und hergeschoben werden. Das soll diese Szene ausdrücken. Wir haben lange darüber diskutiert“, sagt Fabiola.

Neben der Schalter-Situation gibt es in dem Tanztheaterstück auch noch weitere, heute typische Situationen, die Flüchtlinge durchmachen, sei es in Schlauchbooten auf dem Meer oder vor meterhohen Stacheldrahtzäunen. Die Jugendlichen übernachteten auf Matratzen und mit Decken in einer Turnhalle.

„Wir haben bewusst erlebt, wie Flüchtlinge sich fühlen. Es war alles sehr spannend“, erzählt Mila. Auch der Ort Portbou war nicht zufällig ausgewählt. Er ist der Sterbeort des mittlerweile berühmten deutschen Flüchtlings Walter Benjamin. Er war 1940 auf der Flucht vor der Gestapo, überquerte die Pyrenäen und landete in Portbou. Allerdings flog die Flucht auf, und Walter Benjamin sollte mit anderen Flüchtlingen zurückgeschickt werden. Daraufhin nahm sich der Deutsche in Portbou das Leben. Eine Gedenktafel und ein Denkmal erinnern dort an Walter Benjamin.

„Wir haben Geschichte live erlebt und diese in ein Kunstwerk mit Tanz und Theater gepackt. Wir freuen uns, wenn wir das Stück in Deutschland präsentieren dürfen“, erzählt André, einer der wenigen männlichen Tänzer in dem Stück. In den Herbstferien reist der Saarbrücker Teil der Tanzgruppe zum Walter-Benjamin-Archiv in Berlin und rundet damit eine spannende Sommertour ab. Der Höhepunkt soll aber noch folgen. Dann, wenn die jungen Künstler ihr Stück in der Heimat aufführen dürfen.

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