Veränderter Alltag So gehen Jugendliche mit Corona um

Saarbrücken · Für viele hat sich der Alltag wegen der Pandemie stark verändert. Jugendliche im Saarland geben Einblicke in ihr derzeitiges Leben.

 Viele Jugendliche unterstützen pflegebedürftige Verwandte in der Corona-Krise. Jugendzentren organisieren Hilfe für alleinstehende Menschen.

Viele Jugendliche unterstützen pflegebedürftige Verwandte in der Corona-Krise. Jugendzentren organisieren Hilfe für alleinstehende Menschen.

Foto: istock

Junge Menschen im Saarland kommen bislang gut durch die Corona-Krise – trotz der seit Wochen geltenden Ausgangsbeschränkungen und Kontaktsperren, die nun gelockert worden sind. Die SZ hörte sich bei jungen Erwachsenen aus Jugendzentren im Land um. Leben sie trotz der Einschränkungen noch immer Solidarität mit ihren Mitmenschen oder schotten sie sich ab? Wie fühlen sie sich und wie verbringen sie in diesen Zeiten ihre Freizeit?

Jasmine Drexler erinnert sich noch gut an jenen Tag im März, an dem landesweit alle Jugendzentren und -clubs zur Eindämmung der Corona-Pandemie geschlossen werden mussten. Die 22-Jährige aus Saarbrücken-Fechingen ist Vorsitzende des Juz St. Arnual und klärte die weiteren Schritte mit ihren Teamkollegen aus dem Vorstand per Whatsapp ab. Der Alltag hat sich allerdings für die Juz-Aktivistin kaum verändert: Als Auszubildende zur Heilerziehungspflegerin im zweiten Jahr muss sie weiterhin Hausaufgaben machen, Klassenarbeiten schreiben – nur eben alles zu Hause und per E-Mail. Nebenher arbeitet Drexler, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, in einem Wohnheim für Schwerstbehinderte auf 450-Euro-Basis. „Ich müsste auch weiterarbeiten, wenn die Bewohner des Hauses erkranken, denn sie können sich nicht selbst versorgen“, betont sie. Ein persönlicher Einschnitt: Auf Karaoke-Abende in Cafés und Pubs muss sie in Corona-Zeiten verzichten – normalerweise trifft sie sich dafür mehrmals in der Woche mit Freunden.

Damit die Supermärkte und Drogerien nicht zu überfüllt sind, hat sie mit ein paar Freunden einen Mitbring-Service organisiert. „Wir fragen per Whatsapp die anderen, wenn wir zum Einkaufen fahren, ob sie etwas brauchen und ob wir etwas mitbringen sollen“, erzählt sie. Denn es sei besser zu Hause zu bleiben und andere um Hilfe zu bitten, wenn man etwas braucht. Auch im ländlichen Raum gibt es vergleichbare Hilfsangebote, so zum Beispiel in der Gemeinde Mandelbachtal, wo Jugendliche aus dem Jugendclub Ommersheim, einen kostenlosen Service für Einkäufe und Besorgungen organisieren. Wer zu einer Risiko-Gruppe gehört und keine Angehörigen hat, kann telefonisch, per Whatsapp oder über soziale Netzwerke mit den Helfern Kontakt aufnehmen.

Niclas Scherer aus Neunkirchen-Wiebelskirchen kann der Krisenzeit auch eine positive Seite abgewinnen. „Mir geht es in dieser Situation relativ gut. Ich kann mit meinem Hund in den Wald gehen wann immer ich will“, sagt der 21-Jährige, der sich ehrenamtlich als Kassenwart im Juz Neunkirchen engagiert und zurzeit eine Erzieherausbildung macht. Überhaupt könne er jetzt endlich zur Ruhe kommen. Trotzdem vermisse er das Juz und seine Freunde, zu denen er Kontakt über Instagram, Facetime und Whatsapp hält. Vor Kurzem hat das Juz Neunkirchen eine Solidaritätsaktion gestartet, die Helfer sammelten haltbare Lebensmittel und Hygieneartikel und spendeten diese an die Obdachlosenhilfe des Diakonischen Werks in Neunkirchen. „Wir rufen die Neunkircher dazu auf, weiter an Hilfsbedürftige und Obdachlose zu spenden, egal ob Geld- oder Sachspenden“, sagt er. In der Kreisstadt sei es nämlich so, dass es – anders als etwa in Saarbrücken – keinen zentralen Platz für Menschen, die auf der Straße leben, gebe. Scherer: „Uns war diese Aktion deshalb so wichtig, weil diese Menschen oftmals am Rande des Existenzminimums leben.“ Der sozial engagierte Juz-Aktivist lebt nicht nur Solidarität mit seinen Mitmenschen, sondern auch im familiären Kreis. Da Scherers Großeltern im Haus nebenan wohnen und sie zur Risiko-Gruppe gehörten, unterstützt er sie, indem er für sie einkauft. „Weil meine Großeltern beide Mitte 80 sind, ist es wichtig, sie bestmöglich zu schützen, da sie auch mit verschiedenen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen haben“, erklärt er.

Isabella Cazzini und ihre Freundin Jasmin Majewski gehen in diesen Tagen täglich am Lisdorfer Berg spazieren. Auf ihren Spaziergängen achten die beiden darauf in einem möglichst großem Abstand nebeneinander herzugehen. Jasmin Majewski, 21 Jahre alt, macht eigentlich während ihrer Erzieherinausbildung ein Vorpraktikum, war aber  zur Zeit der landesweiten Schließung aller Kitas freigestellt. Arbeitsaufträge, die sie von der Akademie für Erzieher in Saarlouis per E-Mail erhält, erledigt sie zu Hause. Die 24 Jahre alte Isabella Cazzini arbeitet bei einem Händler für Autoteile in Saarlouis-Roden, doch ihr Chef hat ihr wegen der schlechten Auftragslage zum Ende des Monats April gekündigt. Insofern leide sie – ähnlich wie ihre Kollegen, die auf Kurzarbeit gesetzt wurden – sehr unter der Corona-Krise. Das Haus verlässt sie in Corona-Zeiten nur noch, um zur Arbeit zu fahren, zum Einkaufen und zum Spazieren. Im Juz Utopia in Saarlouis war sie, bevor die Kontaktsperre verhängt wurde, beinah täglich. „Ich war schon sehr oft für meine Mutter einkaufen“, erzählt Cazzini. Da ihre Mutter aufgrund einer Krebserkrankung ein geschwächtes Immunsystem hat, wollte sie von Anfang an nicht, dass diese sich in überfüllten Supermärkten einem erhöhten Ansteckungs-Risiko aussetzt. Beiden jungen Frauen sei in letzter Zeit positiv aufgefallen, dass die Saarländer viel freundlicher als sonst seien, sei es beim Einkauf oder beim Spaziergang im Wald. So habe die Krise auch ihr Gutes.

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