Serie Menschen im Regionalverband Der Käpt’n kam auf einem Schiff zur Welt

Saarbrücken · Josef Lonsdorfer ist mittlerweile 83 – doch wenn das Theaterschiff Maria-Helena ablegt, übernimmt er gern das Steuer.

  Josef Lonsdorfer, 83, am Steuer des Theaterschiffs Maria-Helena.

Josef Lonsdorfer, 83, am Steuer des Theaterschiffs Maria-Helena.

Foto: Silvia Buss

Immer wenn das Theaterschiff Maria-Helena auf große Flussfahrt geht, steht er am Steuer. Selbst mit 83 macht Josef Lonsdorfer noch mit Begeisterung den Kapitän. Man kann sogar sagen: Nur wenn der Boden unter ihm leicht schwankt, fühlt sich der Saarbrücker in seinem Element. Denn den Großteil seines Lebens hat Lonsdorfer auf dem Wasser zugebracht.

Als selbstständiger Binnenschiffer beförderte er Güter wie Kohle und Salz über Flüsse und Kanäle in halb Europa. Lastkähne waren nicht nur sein Arbeitsplatz, sondern auch sein Zuhause.

„Ich bin sogar auf einem Schiff zur Welt gekommen“, erzählt der Sohn einer Schifferfamilie lachend. In Saaralbe war das auf einer Péniche, die noch älter war als die Maria-Helena, die im November, wenn auch Lonsdorfer Geburtstag hat, 108 Jahre alt wird.

Der Lastkahn seiner Eltern war noch ganz aus Holz. Gezogen wurde er von Pferden, was man „Treideln“ nannte. Während der Vater am Ruder stand, um den Kahn auf Kurs zu halten, lief die Mutter am Ufer hinter den beiden Pferden her von Saarbrücken bis nach Paris mit zwei bis drei Kilometern pro Stunde, schildert Lonsdorfer, wie das ablief. „Zwei bis drei Wochen dauerte der Weg, auch wegen der vielen Schleusen“, weiß er noch.

Er selbst und seine Schwestern fuhren als Kinder nur in den Ferien mit, denn die Schulzeit verbrachten sie im Internat. Dass er auch Schiffer würde, war „ganz klar“. Als Lonsdorfer alt genug war, schafften die Eltern eine zweite Péniche an, die er zusammen mit seiner älteren Schwester betrieb, denn für ein Schiff braucht es immer zwei.

Die Schwester heiratete einen Elsässer Schiffer und Josef Lonsdorfer eine saarländische „Landratte“, fortan fuhren die Ehepaare auf jeweils eigenen Lastkähnen. „Erst mit Traktor als Zugmaschine, 1963 bauten wir einen Motor ein, dann brauchte ich einen Führerschein“, erinnert sich der Schiffer.

Von Kohle über Zucker, Salz, Weizen, Raps bis hin zu Kunstdünger hat das Ehepaar Lonsdorfer so ziemlich alles transportiert. Zwischendurch hieß es jedesmal, den Laderaum mit Seifenlauge auswaschen. „Die Kontrolleure wischten mit weißen Handschuhen über die Wände.“ Ein Zuckerschlecken war das Leben als Schiffer und Schifferin nicht. Ständig gebe es an so einem Lastkahn etwas zu warten, zu reparieren, zu streichen. Dafür aber sah man viel von der Welt. „Wir sind bis Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen, Bremen, Hamburg, nach Stettin und durch die französischen Kanäle und Flüsse bis ans Mittelmeer“, zählt Lonsdorfer auf.

Ungefährlich war das nicht. Einmal wären sie an seinem Geburstag bei plötzlich auftretetendem Nebel fast unter zwei 15 000-Tonnen Schlepper geraten. „Wir wären sofort untergegangen, hätten nicht mal mehr aussteigen können“, sagt Lonsdorfer. Nur einmal hätten sie Urlaub machen können. Doch seit sich Josef Lonsdorfer mit 75 Jahren zur Ruhe setzte, holen sie das nach. Besonders gern mit Kreuzfahrten.

An Land wird dem Schiffer schnell langweilig. „Jeden Tag aus dem Fenster dieselbe Aussicht haben, neee“, meint er nur. Deshalb freut er sich auch, wenn er bei Frank Lion mal wieder ans Steuerrad darf.

 In diesem Jahr fährt er die Maria-Helena zwar nur über die Saar. Doch im nächsten Jahr machen sie wieder eine große Tour ins Dreiländereck, nach Trier, Luxemburg und Metz.

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