Interview Bernadette Rümmelin „Gesundheit ist für uns keine Ware“

Berlin/Saarbrücken · Die Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbandes warnt vor einem destruktiven und „kalten“ Strukturwandel.

 Die Zahl der katholischen Krankenhäuser geht seit Jahren zurück, zudem hat es viele Fusionen mit anderen Trägern gegeben.

Die Zahl der katholischen Krankenhäuser geht seit Jahren zurück, zudem hat es viele Fusionen mit anderen Trägern gegeben.

Foto: dpa/Daniel Bockwoldt

Die Kliniklandschaft in Deutschland ist im Umbruch. Immer wieder kommt es zu Insolvenzen, Übernahmen oder Zusammenlegungen. Im Saarland sorgt derzeit die mögliche private Trägerschaft einer neuen Nordsaarklinik für Streit. Die Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbandes (kkvd), Bernadette Rümmelin, warnt nun vor einem destruktiven und „kalten“ Strukturwandel. Im Saarland haben neun der 22 Krankenhäuser einen  katholischen Hintergrund.

Frau Rümmelin, die Malteser in Deutschland geben ihre Krankenhäuser weitgehend ab. Ist das ein Menetekel für das Engagement der katholischen Kirche im Krankenhausbereich?

RÜMMELIN (lacht) Die Entscheidung der Malteser, sechs von acht Akutkrankenhäusern abzugeben, hat einen riesigen Widerhall in der Fachöffentlichkeit gefunden. Das zeigt, wie nervös die Krankenhauslandschaft derzeit ist.

 Die Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbandes (kkvd), Bernadette Rümmelin.

Die Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbandes (kkvd), Bernadette Rümmelin.

Foto: kkvd/ Kirsten Breustedt“/Kirsten Breustedt

Aber was steckt dahinter?

RÜMMELIN Das ist eine unternehmerische Entscheidung, die ich gut nachvollziehen kann. Die Malteser waren immer schon stärker im Bereich von Altenhilfe, Pflege und Rettungsdienst engagiert. Dass sich der Verband darauf noch stärker konzentrieren will, hängt ja mit der demografischen Entwicklung zusammen. Die Entscheidung ist aber auch der unklaren Lage bei der Krankenhausstruktur- und Finanzierungspolitik geschuldet.

Auch das Erzbistum Hamburg will sich von seinen Krankenhäusern trennen. Und seit Jahren geht die Zahl der katholischen Kliniken zurück...

RÜMMELIN Ja, aber der Anteil der freigemeinnützigen – also meist katholischen oder evangelischen – Krankenhäuser ist in den vergangenen 30 Jahren nur um fünf Prozent zurückgegangen. Das ist nicht viel. Eine Verschiebung hat insbesondere von den kommunalen zu den privaten Trägern stattgefunden. Richtig ist, dass es bei den katholischen Krankenhäusern neben Schließungen auch Fusionen und Gründungen von Verbünden gegeben hat; das verstärkt vielleicht den Eindruck des Schrumpfens. Träger wie die Barmherzigen Brüder Trier, die Alexianer oder der Elisabeth Vinzenz Verbund haben sogar überregional expandiert. Von einem flächendeckenden Rückzug der Kirche aus dem Krankenhausbereich kann also keine Rede sein.

Dennoch bescheinigen Gesundheitsökonomen den kirchlichen Trägern Zukunftsprobleme...

RÜMMELIN In der Tat haben die kirchlichen Krankenhausträger deutliche Wettbewerbsnachteile. Die privaten Häuser können sich Geld an den Aktienmärkten und von Finanzinvestoren besorgen, um Investitionen zu tätigen. Die kommunalen Krankenhäuser werden bei Defiziten häufig mit Geld des Steuerzahlers unterstützt. Beides haben wir nicht.

Studien und auch viele Gesundheitspolitiker behaupten, dass Deutschland eine viel zu hohe Krankenhausdichte hat...

RÜMMELIN Angeblich soll sogar mehr als die Hälfte der Kliniken überflüssig sein. Die gegenwärtige Gesundheitspolitik zielt darauf ab, den Krankenhausbereich verstärkt unter Wettbewerbs- und Konkurrenzgesichtspunkten zu organisieren. Klar ist, es wird weniger Krankenhäuser geben. Aber die aktuelle Politik führt zu einem kalten Strukturwandel und wirkt so destruktiv.

Was heißt das?

RÜMMELIN Aus Sicht des Katholischen Krankenhausverbandes ist Gesundheit keine Ware. Es geht bei der Krankenhausversorgung nicht in erster Linie um Märkte und Wettbewerb. Es geht um Daseinsvorsorge und gleichwertige Lebensverhältnisse für alle Bürger. Das bedeutet, dass man die Krankenhauslandschaft bewusst und nach regionalen Bedingungen gestalten muss, um allen Bürgern eine gute Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. Da hat das freie Spiel der Kräfte nichts zu suchen. Gefordert sind deshalb insbesondere die Bundesländer, die eine vernünftige Krankenhausplanung vorlegen müssen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat zahlreiche Reformen durchgeboxt, die auch die Krankenhäuser betreffen. Wie wirkt sich das bei Ihren Häusern aus?

RÜMMELIN Auch diese Maßnahmen verstärken diesen kalten Strukturwandel. Reformen wie die Einführung von Personaluntergrenzen, von Mindestzahlen bei bestimmten Behandlungen oder das Eindampfen der Notfallversorgung auf wenige Standorte kosten enorm viel Ressourcen. Sie sind sehr bürokratisch und machen die Finanzplanung äußerst schwierig. Bedenkt man dann, dass die Bundesländer ihrer Verpflichtung bei den Investitionskosten nicht nachkommen und wir kein Geld am Kapitalmarkt aufnehmen können, dann wird es kritisch. Unsere Finanzdecke wird immer dünner; das stellt die Zukunftsfähigkeit mancher kirchlicher Häuser aktuell stark in Frage.

Sind nicht katholische Krankenhäuser strukturell stärker von Schließungen bedroht, weil es sich oft um eher kleine Häuser auf dem Land handelt?

RÜMMELIN Diese Behauptung ist in der Politik und bei Gesundheitsexperten weit verbreitet. Aber wir haben eine sehr differenzierte Struktur: Nur jedes Dritte der katholischen Krankenhäuser hat weniger als 200 Betten; und nur 15 Prozent befinden sich auf dem Land oder in Kleinstädten. Das Gros unserer Häuser hat zwischen 200 und 500 Betten, was eine gute Größe ist. Im Schnitt sind die privaten Kliniken deutlich kleiner als unsere. Das nimmt aber kaum jemand wahr, weil sich die öffentliche Debatte meist um die großen privaten Gesundheitskonzerne wie Helios, Asklepios oder Sana dreht.

Mit welcher Strategie reagieren die katholischen Krankenhäuser auf die verschärfte Marktsituation?

RÜMMELIN Eigentlich haben wir unsere Hausaufgaben gemacht und eine gute Strategie entwickelt. Vielfach haben sich mehrere katholische Krankenhäuser zu Verbünden zusammengeschlossen und spezialisiert. Nach dem Motto: Nicht jedes Haus muss alles machen. Wir verschließen uns dem Wandel nicht; katholische Orden und Krankenhausträger haben schon immer über Krankenhausmauern hinaus gedacht. Angesichts des demografischen Wandels werden etwa Senioreneinrichtungen, Palliativstationen oder Hospizdienste immer wichtiger. Die Krankenhäuser arbeiten mit Caritasstationen und Kirchengemeinden zusammen. Doch leider stößt diese Strategie zuletzt immer stärker an Grenzen. Das macht uns große Sorgen.

An welche Grenzen?

RÜMMELIN Wir stecken in einer Zwickmühle: Eigentlich entspricht die Schaffung von regionalen Verbünden und Zusammenschlüssen genau dem, was politisch gefordert wird. Doch zunehmend machen uns die Kartellbehörden Probleme, weil sie regionale Monopole verhindern wollen. In den vergangenen Monaten wurden deshalb mehrere Zusammenschlüsse mit Beteiligung katholischer Häuser verhindert, etwa in Köln, Gütersloh oder Soest. Die privaten Anbieter haben es da deutlich einfacher. Weil sie nicht so regional aufgestellt sind, können sie ohne Einsprüche des Kartellamtes überregional wachsen. Diesen Knoten muss die Politik dringend auflösen.

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