Verkehrswende London, Paris, Madrid – Saarbrücken?

Saarbrücken · Während in Deutschland Pläne, Autos aus Innenstädten zu verbannen, heftig umstritten sind, werden sie anderswo längst umgesetzt. Neben Klimaschutz sind auch finanzielle Interessen Gründe dafür.

Allen Befürchtungen zum Trotz wurde die Berliner Friedrichstraße Ende August für Autos gesperrt. Der gewonnene Platz wurde für Pflanzen und Sitzgelegenheiten genutzt. Auch Fahrräder hatten freie Fahrt.

Allen Befürchtungen zum Trotz wurde die Berliner Friedrichstraße Ende August für Autos gesperrt. Der gewonnene Platz wurde für Pflanzen und Sitzgelegenheiten genutzt. Auch Fahrräder hatten freie Fahrt.

Foto: dpa/Johannes Neudecker

Eine „grüne Oase für Fußgänger und Radfahrer“ – dazu soll Paris werden, wenn es nach Plänen der Bürgermeisterin Anne Hidalgo geht. Autos haben in dieser Vision keinen Platz, und zwar buchstäblich: 60 000 Parkplätze sollen nach und nach wegfallen, dafür zehntausende Bäume gepflanzt werden.

Die Stadt, die vor fünf Jahren Schauplatz der UN-Klimakonferenz war, soll so selbst fit für die Klimakrise gemacht werden: 2019 wurde mit 42,6 Grad ein neuer Hitzerekord aufgestellt, Schatten und Grünflächen werden daher dringend gebraucht. Für dieses ehrgeizigen Vorhaben wurde Hidalgo vom „Time“-Magazin unter die 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt gewählt.

Auch andere Großstädte, darunter London, Madrid, Wien und New York, sperren immer mehr Straßen für den Autoverkehr. Sie zeigen damit: Es reicht nicht, Verbrenner gegen Elektro-Autos auszutauschen. Diese beanspruchen ebensoviel öffentlichen Raum wie normale Pkws – mit denselben negativen Begleiterscheinungen: Allein für die aktuell 191 609 gemeldeten Autos im Regionalverband ist eine Stellfläche von etwa 335 Fußballfeldern nötig. Platz, der fehlt: für Wohnungen, Parks, Spielplätze, Menschen. Und teuer ist: Einem Bericht der „Zeit“ zufolge kostet jeder öffentliche Stellplatz den Steuerzahler im Jahr 5000 bis 7000 Euro.

Wie viel das eigene Auto kostet, wird indes häufig massiv unterschätzt, wie eine Untersuchung des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung zeigte: Demnach schätzten die befragten Autofahrer die Kosten (inklusive Verschleiß, Reparatur und Benzin) auf im Schnitt 204 Euro im Monat. Die tasächlichen Kosten waren aber mit 425 Euro mehr als doppelt so hoch. Dabei wird ein durchschnittlicher Pkw nach Angaben des Umweltbundesamtes zufolge im Schnitt nur eine Stunde täglich bewegt – die übrigen 23 Stunden steht das Auto„mobil“ still.

Also doch lieber auf ÖPNV umsteigen? Der ist jedoch, gerade im Saarland, häufig unpraktisch und teuer. Gegen letzteres hat Luxemburg als erstes Land der Welt Abhilfe geschaffen: Seit Ende Februar ist der Nahverkehr kostenlos. Eine Maßnahme, die nicht nur der Umwelt dienen, sondern auch die ständigen Staus im Großherzogtum reduzieren soll.

Was die Auswirkungen auf dem Handel betrifft, so bewies eine Untersuchung der Londoner Verkehrsbehörde, dass Fußgänger im Schnitt häufiger und mehr im Geschäftszentrum einkauften als Autofahrer. Ihre Empfehlung zur Unterstützung des lokalen Einzelhandels daher: Investitionen in eine Infrastruktur, die sich nicht an Autofahrern orientiert, sondern die Fußgängern und Radfahrern entgegen kommt.

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