Interview mit Johannes Oerding „Ich zweifle schon oft an der Menschheit“

Saarbrücken · Johannes Oerding über seine Songs, sein Leben in der „Blase“ und die Witze von Jan Böhmermann.

 Johannes Oerding gastiert am 7. November in Saarbrücken.

Johannes Oerding gastiert am 7. November in Saarbrücken.

Foto: dpa/Tobias Hase

In Hamburg hat Johannes Oerding sein Glück gemacht: Hier hat der in Münster geborene und am Niederrhein aufgewachsene Interpret nicht nur seine große Liebe in der prominenten TV-Nachtclub-Betreiberin Ina Müller (‚Inas Nacht‘) gefunden, sondern ist auch künstlerisch zu einem talentierten Songwriter und Entertainer gereift.

Mit dem neuen Werk „Kreise“ ist der 35-Jährige ganz weit oben auf der Erfolgsleiter
angekommen. Das Album ging bis auf Position 2 der deutschen Album-Charts und damit noch einen Platz höher als der Vorgänger ‚Alles brennt‘ von 2015. Nun ist der Wahl-Hamburger mit seinem neuen Werk auf Tournee und gastiert am Dienstag, 7. November, ab 20 Uhr (Einlass: 19 Uhr) in der
Garage. Zuvor stand Johannes Oerding unserer Zeitung für ein Interview zur Verfügung.


Herr Oerding, wofür steht der Titel Ihres neuen Albums „Kreise“?

Johannes Oerding: Es geht im Wesentlichen um das ständige „Hallo“ sagen und Abschied nehmen. In meinem Leben begegne ich so oft vielen Menschen, die ich
nach kurzer Zeit wieder aus den Augen verliere und bei manchen hofft man einfach, dass sich der Kreis doch noch irgendwann wieder schließt.

Das Album ist auf Platz 2 der deutschen Album-Charts gelandet. Haben Sie nach Platz 4 für ‚Für immer ab jetzt‘ (2013) und Platz 3 für ‚Alles brennt‘ (2015) mit dieser Entwicklung gerechnet?

Johannes Oerding: Klar hab ich mich gefreut, dass wir auf der ‚Zwei‘ gelandet sind - auch
wenn ich weiß, dass die Chartplatzierung nicht wirklich relevant ist
für ein erfolgreiches Album. Aber es wäre schon doof gewesen, wenn ich auf Platz 9 gelandet wäre. So haben wir uns noch ein wenig Luft für‘s nächste Album nach oben gelassen...

...das heißt, Sie haben nicht schon dieses Mal insgeheim auf den
Spitzenplatz gehofft?

Johannes Oerding: Als noch nicht bekannt war, dass die Toten Hosen auch ein Album am gleichen Tag veröffentlichen, war Platz 1 durchaus machbar und natürlich wäre die ‚Pole-Position‘ schön gewesen. Aber hinter den Toten Hosen zu
landen, ist nicht das Allerschlimmste.

Ein Song auf dem Album heißt ‚Leuchtschrift (Große Freiheit)‘ - ist das Ihre persönliche Hymne auf Ihre Wahl-Heimatstadt Hamburg?

Johannes Oerding: Im Grunde ist das Bild der Großen Freiheit in Hamburg nur die Metapher für ein größeres Gefühl. Für mich kann Hamburg dieses Gefühl durchaus
ausdrücken. Das Urbane, die liberale Gesellschaft, der Hafen usw. sind Bilder, die mir dabei sofort in den Kopf kommen. Aber es ist keine gezielte Hymne über Hamburg, sondern eher über die Freiheit, die wir hier Gott sei Dank haben und leben können.

In dem Song ‚Weiße Tauben‘ machen Sie sich Gedanken über ‚Terror, Tod und Tragik‘. Ist das Lied Ihr persönlicher Anti-Kriegs-Song?

Johannes Oerding:  Es war mir ein persönliches Bedürfnis, über dieses Thema zu schreiben, weil es mich einfach betrifft. Ich bin auch privat viel politischer geworden und dann setzt man sich auch inhaltlich mehr mit der komplexen Lage der Welt auseinander.

Schauen Sie eher pessimistisch oder optimistisch in die Zukunft?

Johannes Oerding: Ich zweifle schon oft an der Menschheit. Ich bin auch sehr oft enttäuscht von so vielen hasserfüllten Menschen. Mir ist aber auch klar, dass ich in einer wohlbehüteten Blase aufgewachsen bin und mein Berufsumfeld sich eher in einer friedlich-liberalen Welt bewegt. Ich versuche also,  auch andere Ansichten und Motive zu verstehen, soweit man das aushält. Aber ein Pessimist war ich nie und ich glaube am Ende auch an die kollektive Vernunft, die uns auf den richtigen Weg bringt.

Haben Sie sich beim Song ‚Tetris‘ von dem Computerspiel inspirieren
lassen?

Johannes Oerding: Ja, ich bin total die Generation Gameboy. Wobei dies auch das einzige war, was ich früher gespielt habe. Ich habe mich selber glücklicherweise
immer von weiteren Computerspielen fern gehalten, weil ich wusste, dass mich das abhängig macht und ich mich dann zu sehr einigeln würde. Deshalb bin ich lieber jeden Tag in den Proberaum gegangen.

Vor einigen Wochen hat der TV-Satiriker Jan Böhmermann kein gutes Haar an der Riege aktueller deutscher Schlager-/Pop-Stars gelassen. Haben Sie das mitbekommen und fühlen Sie sich davon auch selbst angesprochen?

Johannes Oerding: Ich bin zwar nicht persönlich in dieser Diskussion aufgetaucht, aber wenn man diese Schublade aufmacht, gehöre ich wohl auch dazu. Viele Punkte von Böhmermann waren auch richtig und vor allen Dingen lustig vorgetragen. Aber für mich ist das mittlerweile ein alter Hut.

Interessiert es Sie überhaupt, was andere Menschen über Ihre Musik
urteilen?

Johannes Oerding: Ja, es interessiert mich schon und genau deshalb lese ich keine Kritiken
mehr. Es kostet zu viel Zeit und Kraft, sich mit fremden Meinungen
auseinanderzusetzen. Daher habe ich das abgestellt.

Der Song ‚Zieh Dich aus‘ klingt ungewöhnlich funky - ist das Lied ihre
Hommage an den im letzten Jahr verstorbenen Superstar Prince?

Johannes Oerding: Auf jeden Fall! Ich hatte die Textidee im Kopf und das klang schon ohne Musik nach Prince. Also war klar: Mit ‚Zieh Dich aus‘ ehren wir den
Großmeister.

Entspringt das Lied ‚Nur unterwegs‘ auch Ihrem persönlichen Fernweh?

Johannes Oerding: Ich habe in der Tat nie Heimweh und bin unglaublich gerne unterwegs. Ich liebe es einfach, neue Situationen, Menschen, Städte und Geschichten zu erleben und brauche das auch für meine Inspiration. Ich habe allerdings keine Ahnung, ob ich das ein Leben lang so machen möchte. Da höre ich in der Regel auf meinen Bauch.

Das Interview mit Johannes Oerding führte Thorsten Hengst

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