Experiment in der Saarbrücker Villa Lessing Internet-Konzert stärkt Sehnsucht nach echtem Live-Erlebnis

Saarbrücken · Top-Musiker zeigten im Netz, wie lebendig die Saarbrücker Jazz-Szene ist. Doch die Zuschauerzahl auf Facebook blieb überschaubar.

 Die HfM-Dozenten Oliver Strauch (Schlagzeug) und Stefan Scheib (Kontrabass) begleiteten zwei Musikstudenten beim Online-Konzert der Villa Lessing.  Foto: Screenshot Dingler

Die HfM-Dozenten Oliver Strauch (Schlagzeug) und Stefan Scheib (Kontrabass) begleiteten zwei Musikstudenten beim Online-Konzert der Villa Lessing. Foto: Screenshot Dingler

Foto: Screenshot/Dingler

Können Internet-Streams Livekonzerte ersetzen? Eher nicht, wie die Resonanz auf das am Freitagabend via Facebook ausgestrahlte Jazzkonzert der liberalen Stiftung Villa Lessing zeigte. Obwohl es mit Oliver Strauch, Stefan Scheib, Gilles Grethen und Chantal Kirsch hochkarätig besetzt war, schauten der Facebook-Statistik zufolge in den knapp 50 Minuten der Übertragung meist nur weniger als 20 Zuschauer zu.

Da sich unter ihnen dann auch die Profile von Strauch und Grethen selbst befanden, zweifelten manche am Live-Charakter der Veranstaltung. Genauso gut konnte es ja auch eine Aufzeichnung sein. Zeitversetzt war das Konzert in jedem Fall, denn nach zwölf Minuten Geruckel mit vielen Standbildern starteten die Veranstalter der Villa Lessing den Stream noch einmal.

Leider konnte man sich auch danach nicht uneingeschränkt den Freuden des Jazz hingeben. Denn wiewohl so ein Onlinekonzert einen gewissen technischen Aufwand darstellt, wurde doch am fast Wichtigsten gespart, nämlich an der Tontechnik.

Gerade mal ein Mikrofon wurde jedem der vier Protagonisten hingestellt. Was aber immer noch zu einer ausgewogeneren Mischung hätte führen können, als sie letztlich aus den heimischen Endgeräten ertönte. Präsent waren Becken und Snare von Strauchs Schlagzeug, seine Bassdrum vermisste man dagegen. Scheibs Kontrabass hätte gern deutlicher herauskommen dürfen. Das traf noch mehr auf Grethens Gitarre zu, die zeitweise klang, als komme sie aus dem Raum nebenan.

Wenigstens stand der Gesang der jungen Luxemburgerin Chantal Kirsch standesgemäß im Vordergrund. Das Konzert sollte Dozenten der Musikhochschule mit ihren Studenten musikalisch vereinen. Titel: „Jazz ist Freiheit No.1!“

Lässt man die erwähnten Mängel beiseite, klappte das sehr gut. Strauchs Schlagzeugspiel und Scheib am Kontrabass lieferten die souveräne Basis dafür, dass sich der Nachwuchs darüber ausleben konnte. Der ebenfalls aus Luxemburg stammende Grethen, der an der HfM gerade seinen Bachelor macht, präsentierte unaufdringlich, aber eindrucksvoll sein Talent. Master-Studentin Chantal Kirsch gab sich ebenfalls sehr routiniert am Mikrofon.

Die seltsame Situation machte sich bei ihr höchstens in den Ansagen bemerkbar. Einmal sprach sie von Urlauben, „die jetzt wortwörtlich ins Wasser gefallen sind“, so als habe ein Unwetter die Côte d’Azur überschwemmt.

Zum Ende stellte sie am Schlagzeug „Rektor Oliver Strauß“ vor. Der so Angesprochene, seines Zeichens „nur“ Professor an der HfM, griff das mit Humor auf und meinte, das stimme, man solle es aber nicht weitersagen. Zuvor hatte Strauch schon einen humoristischen Akzent gesetzt, als er nach dem Ausbleiben des gewohnten kräftigen Applauses meinte, dass die Stimmung im Studio überkoche.

Gleichzeitig bedankte er sich ernsthaft und zu Recht bei den Verantwortlichen der Villa Lessing, dass sie den Musikern diese Plattform in diesen Zeiten anbieten. „Man versucht mit diesen Projekten zu zeigen, dass die Szene lebt, und sie lebt wahrhaft.“ Nur ließ des Konzert einige Zweifel, ob das Internet dieses Lebendige transportieren kann. Wer seinen Auftritt ins Netz stellt, muss damit leben, dass er in der Konkurrenz von Millionen Konzertvideos steht, die ebenfalls abrufbar sind.

Aber eines gelang dem Livestream aus der Villa Lessing sicher: den Hunger nach dem echten Live-Erlebnis zu verstärken. Wie schön wäre es doch, diesem Quartett in echt und mit einem guten Sound zu lauschen. Und mehr als 20 Zuschauer kämen sicher auch.

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