Barrierefreie Schwimmbäder Hindernisparcours zum Beckenrand

Saarbrücken · SZ-Leserreporterin Susanne Woll sucht für ihren Mann ein rollstuhlgerechtes Schwimmbad. Kein einfaches Unterfangen.

 Wenn Benno Woll ins Schwimmbad will, muss er genau überlegen, welche Hindernisse ihm  begegnen könnten. Kann er nahe am Eingang parken? Gibt es eine Rampe? Eine Umkleide, die groß genug ist? Sind dort Haltegriffe? Und, wenn ja, sind sie in der richtigen Höhe? Hat das Schwimmbad einen Lifter? Benno Woll ist seit 2003 schwer an MS erkrankt und sitzt seit zehn Jahren im Rollstuhl. Auf ärztliche Anweisung soll der 64-Jährige regelmäßig zur Wassergymnastik. Doch das ist für einen Rollstuhlfahrer im Regionalverband und der näheren Umgebung gar nicht so leicht.

Seine Ehefrau Susanne Woll (54) begleitet ihn auf der Suche nach einem geeigneten Hallenbad. Ihre Eindrücke schreibt sie der Saarbrücker Zeitung als SZ-Leser-Reporterin. Sie spricht vom „Alptraum-Schwimmen mit einem Rollstuhlfahrer“. In nahezu allen Schwimmbädern wird mit Barrierefreiheit geworben. In der Realität gibt es allerdings einige unüberwindbare Hindernisse für Rollstuhlfahrer. „Hundertprozentig barrierefrei ist kein Bad außer dem in Altenkessel“, sagt Michael Wagner, Behindertenbeauftragter von Dudweiler. Wagner weiß, wovon er spricht, er sitzt selbst im Rollstuhl und hat einige Bäder getestet. Das Kombibad wird von der Bäderbetriebsgesellschaft Saarbrücken betrieben. Der stellvertretende Geschäftsführer, Rainer Hück, erklärt, dass es von vielen Behindertensportgruppen gern genutzt werde. Rampen, selbstöffnende Tür am Eingang, Behinderten-WC und Dusche seien vorhanden. „Eine eigene Umkleide für Rollstuhlfahrer ist zwar nicht ausgewiesen, bei Bedarf wird jedoch schon an der Kasse eine Gruppen- beziehungsweise Familienumkleide mit ausreichend Platz zugewiesen“, sagt Hück.

Familie Woll war im vorigen Jahr im Kombibad Altenkessel. Da konnten sie laut SZ-Leser-Reporterin Susanne Woll allerdings die Umkleidekabine nicht benutzen, weil sie gerade von Müttern mit ihren Kindern belegt war. Sie mussten sich in der Toilette umziehen und seien damals vom Personal wenig hilfsbereit empfangen worden. „Unfassbar“, sagt die Ehefrau.

Wir möchten das einzige komplett behindertengerechte Hallenbad im Regionalverband erneut testen. Der Tag beginnt gut: Die Wolls können direkt vor dem Eingang des Kombibades Altenkessel parken und werden an der Kasse freundlich empfangen. Sofort weist man ihnen eine Umkleide zu. Dort ist allerdings nicht ausreichend Platz, sodass Woll in den schwimmbadeigenen Rollstuhl wechseln kann. Erst im behindertengerechten Sanitärraum kann er den Rollstuhl tauschen. Dafür muss er sich an einem Haltegriff hochziehen, der hängt allerdings zu niedrig. Er behilft sich mit dem Heizkörper und ist dann bereit für den Badebereich. Weiter geht’s zum Lifter. Der soll laut Schwimmbad-Personal schon über 40 Jahre alt sein. Er sieht auf den ersten Blick wenig vertrauenerweckend aus, erfüllt aber seinen Zweck. Die Bademeister helfen Woll professionell und freundlich ins Becken. Nach 45 Minuten endlich im Wasser.

Soweit ist Benno Woll in manch anderem Schwimmbad nicht gekommen. Das „Sportzentrum Mellin“, das frühere Vopeliusbad in Sulzbach, wurde für 1, 4 Millionen Euro saniert. Einen Lifter gebe es allerdings nicht mehr, teilt Klaus Bosel, Prokurist beim Badbetreiber KDI, mit. Der solle noch bis Ende des Jahres angeschafft werden, versichert er. Dafür gebe es aber eine Zufahrt für Rollstuhlfahrer, einen Patientenlifter am Eingang, rollstuhlgerechte Umkleidekabinen mit Dusche, Duschstuhl und Toilette. Benno Woll nutzt das jetzt allerdings noch nichts.

Ganz ähnlich sieht es im „TrimmTreff“, dem Hallenbad in Püttlingen, aus. Dort gibt es laut Susanne Woll zwar einen Lifter, der Gehbehinderte ins Wasser lässt, allerdings keine Umkleidekabinen mit Haltegriffen, kein Behinderten-WC und eine Dusche nur im Damenbereich. „Ein Multifunktionsraum mit Dusche und Umkleide ist in Planung“, sagt Stefan Hirschmann, kaufmännischer Leiter des Eigenbetriebes Technische Dienste der Stadt Püttlingen. Zunächst müssten Bautechniker aber überlegen, wo man den Raum einrichten könne. Dann gelte es, dann die Kosten zu prüfen. „Wir sprechen hier von einem fünfstelligen Betrag“, sagt Hirschmann.

„Wer Barrieren plant, baut oder vorhandene Barrieren nicht beseitigt, verstößt gegen geltendes Recht“, sagt Rudolf Leidisch, der Behindertenbeautragte des Regionalverbandes.Nach dem Saarländischen Behindertengleichstellungsgesetz sollen die Kommunen dazu beitragen, dass Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben führen und gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.

 Rollstuhlfahrer Benno Woll testet das Kombibad in Altenkessel auf Barrierefreiheit – das einzige im Regionalverband, das komplett behindertengerecht und für Rollstuhlfahrer geeignet ist.  Schwimmmeisterin Susanne Diedrich (2.v.l.) und Rettungsschwimmer Karsten Schmitz (links) helfen  mit dem Bad-Lifter.

Rollstuhlfahrer Benno Woll testet das Kombibad in Altenkessel auf Barrierefreiheit – das einzige im Regionalverband, das komplett behindertengerecht und für Rollstuhlfahrer geeignet ist. Schwimmmeisterin Susanne Diedrich (2.v.l.) und Rettungsschwimmer Karsten Schmitz (links) helfen mit dem Bad-Lifter.

Foto: Iris Maria Maurer

„Noch immer stoße ich im Alltag auf viele Schwierigkeiten“, sagt Benno Woll. Viele dieser Probleme müssten nicht sein, sagt der Dudweiler Behindertenbeauftragte Michael Wagner. Beim Bau oder der Renovierung von öffentlichen Gebäuden sollten die Behindertenbeauftragten zu Rate gezogen werden. „Man muss die Leute fragen, wie sie zurecht kommen“, sagt Wagner. Bei der Renovierung des  Dudobades, des Dudweiler Hallenbades, sei er in Sachen Barrierefreiheit einbezogen worden. Das Bad soll zur kommenden Saison komplett behindertengerecht sein.

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