Sticken, um Schmerz zu lindern

Heusweiler · Seit 36 Jahren ist Ursula Holzapfel für die kirchliche Menschenrechtsarbeit im Nordwesten Kolumbiens tätig. In Heusweiler berichtete sie nun über den schwierigen Friedensprozess und das Leben der Menschen in dem südamerikanischen Land.

 Ursula Holzapfel sprach in Heusweiler über das Leben und den Friedensprozess in Kolumbien. Foto: Dennis Langenstein

Ursula Holzapfel sprach in Heusweiler über das Leben und den Friedensprozess in Kolumbien. Foto: Dennis Langenstein

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Ursula Holzapfel berichtete bei einem Wortgottesdienst am vergangenen Donnerstag einfühlsam über das Leben der Menschen in Kolumbien. Seit 36 Jahren ist sie für die kirchliche Menschenrechtsarbeit in der Region Chocó im Nordwesten Kolumbiens tätig. Sie brachte ein farbenfrohes Wandtuch mit und erklärte die Geschichte hinter den aufgestickten und bemalten Motiven.

"Am 21. April 2002 versammelten sich Guerilla-Truppen und paramilitärische Einheiten in der Nähe des Dorfes Bellavista-Bojaya." Appelle an den Staat, Hilfe zu entsenden, blieben ungehört. Und so brachen zwischen dem 30. April und dem 1. Mai die Kämpfe aus. "Die Menschen sind aus Angst in die Kirche und das Ordensschwesternhaus geflüchtet. Die einzigen Gebäude aus Stein", erklärt Holzapfel. Doch ein Geschoss aus einem improvisierten Mörser der Farc-Rebellen schlug in der Kirche ein: "Eine solche Bombe fliegt, wohin sie will. 79 Personen waren in der Kirche tot." 119 Menschen starben insgesamt bei der Attacke. Erst am 4. Mai habe sie das Dorf erreicht, um Hilfe zu leisten. Die Rebellen gestanden ihr eine Feuerpause von fünf Minuten zu, um die Front zu überqueren. "In der Kapelle lagen noch die Leichen."

14 Jahre sind seit den Ereignissen nun vergangen. Das mitgebrachte Wandtuch, gezeichnet von drei Jungen und mit Stickereien zahlreicher Frauen versehen, sowie ein weiteres größeres Exemplar, das in der Gemeinde in Kolumbien verbleibt, dient dabei der Aufarbeitung der Ereignisse, wie die Menschenrechtlerin gegenüber der Saarbrücker Zeitung erklärt: "Die Frauen sticken ihr Leben und ihren Schmerz." Menschenrechtsverletzungen würden so benannt und könnten verarbeitet werden. "Es dient auch dazu, dass die Frauen anfangen über die Ereignisse zu sprechen", so die Gemeindereferentin.

Begonnen habe man mit solchen Arbeiten in Chile während der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet : "Briefe wurden durch Zoll und Zensur kontrolliert, doch die Wandtücher kamen über die Grenze und machten die Verbrechen auch im Ausland bekannt." Auch das Tuch, das nun in Heusweiler zu sehen war, hat noch eine weite Reise vor sich - nächste Station ist die japanische Stadt Hiroshima. Ursula Holzapfel fand während des Gottesdienstes in Heusweiler auch Worte zur jüngsten Volksabstimmung, die einen Frieden zwischen Regierung und Rebellen in Kolumbien verhinderte. "In Bellavista-Bojaya stimmten 96 Prozent für den Frieden. Im gesamten Land waren 50,2 Prozent dagegen. Wo Krieg ist, wollen die Menschen Frieden."

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