Schlaue Knaben, diese Raben

Köllertal · Offenbar hat man im Köllertal ein waches Auge für die Natur: Kürzlich wunderten wir uns in einem Wochenrückblick über einen Raben, der zwischen Walpershofen und Niedersalbach Walnüsse auf die Straße fallen ließ, um sie sich von vorbeifahrende Autos knacken zu lassen. Dazu bekamen wir inzwischen per Mail und Telefon zwölf Rückmeldungen von Lesern, die eigene Beobachtungen zur Intelligenz der Tiere machten.

 Zugegeben, wir gehen nicht soweit zu behaupten, dass dieser Rabe bei einem Latte Macchiato gemütlich die Saarbrücker Zeitung liest – da wurde er schon eher von dem Keks im Aschenbecher angelockt –, aber schlau sind die Tiere schon: Mehrere SZ-Leser aus dem Köllertal schilderten ihre Beobachtungen, die auf die Intelligenz und Lernfähigkeit der Vögel hindeuten. Foto: Hendrik Stegner/SZ

Zugegeben, wir gehen nicht soweit zu behaupten, dass dieser Rabe bei einem Latte Macchiato gemütlich die Saarbrücker Zeitung liest – da wurde er schon eher von dem Keks im Aschenbecher angelockt –, aber schlau sind die Tiere schon: Mehrere SZ-Leser aus dem Köllertal schilderten ihre Beobachtungen, die auf die Intelligenz und Lernfähigkeit der Vögel hindeuten. Foto: Hendrik Stegner/SZ

Foto: Hendrik Stegner/SZ

Wie Krähen eine Straße als "Nussknacker" benutzen, das hat Gertrud Jochum beobachtet: "Mein Mann und ich kamen von Heusweiler-Berschweiler und sahen am Ortseingang von Heusweiler-Kutzhof, wie ein Rabe etwas auf der Gegenspur aufnahm, auf unserer Fahrbahn landete und dort wieder ablegte", dann bezog er seinen Beobachtungsposten in einem Busch am Fahrbahnrand. Christiana Krenz vom Saarbrücker Eschberg erlebte die Vögel nicht nur als "Nüsse-Werfer" ("Da können Sie die tollsten Sachen erleben"), sondern auch als Mülltonnen-Plünderer, die ordentlich aussortieren, was sie gebrauchen können. Und Siegfried Wagner aus Holz schilderte, wie die gefiederten Schlauköpfe aus zwei Nussbäumen am Rande einer Wiese zehn, fünfzehn Meter aufsteigen, um die Nüsse auf einen asphaltierten Feldweg fallen zu lassen, "sind sie nicht gleich kaputt, werden sie nochmals eingesammelt, und ein neuer Versuch wird gestartet". Gaetana Di Napoli berichtet, wie in der Sprenger Straße in Niedersalbach etliche Krähen mitunter für ordentlich Rabatz sorgen, wenn sie Nüsse aufs Dach fallen lassen, die dann manchmal mit viel Radau wieder aus der Regenrinne gefischt werden. Und unser Mitarbeiter Fredy Dittgen beobachtete, wie die Vögel in der Holzer Saarstraße dazulernten - zum einen das Zielen mit Nüssen auf harte Verbundsteine, zum anderen das Vermeiden eines Fehlers: Frontal von einem Giebel geworfene Nüsse landeten auf der viel befahrenen Saarstraße - die Nüsse wurden zermatscht, das Bergen war gefährlich. Jetzt lassen die Vögel die Nüsse nur noch seitlich am Giebel hinunter rollen, so dass sie zwischen den Häusern auf hartem Stein aufplatzen.

Auch zur Trauer scheinen Krähen fähig: Gertrud Elzer-Genz beobachtete im Riegelsberger Gisorsviertel, dass nach Rodungsarbeiten Krähen tagelang um "ihre" Bäume trauerten, mit klagenden Lauten, wie sie es schon gehört hatte, als einer Krähe der Partner gestorben war. Im eigenen Garten hat sie für Krähen auch schon mal ein freundliches Wort oder etwas Futter übrig, und als sie nach ein paar Tagen Abwesenheit wieder nach Hause kam, wurde sie von einer Krähe begrüßt, "die im Tiefflug an meiner Hüfte vorbei flog, ohne sich von der Katze stören zu lassen".

Trude Koch schreibt zu den Nuss-Knacker-Vögeln: "Dieses Phänomen kann man jedes Jahr beobachten, sobald die Nüsse reifen. Die Raben holen sich die Nüsse von den Bäumen, überfliegen die Straße, lassen die Nuss fallen und warten, bis ein Auto drüberfährt. Bei Bedarf wird sie auch mal wieder zurechtgelegt. Raben sind schlaue und hochinteressante Vögel ."

Und Hans Joachim Klein aus Heusweiler-Dilsburg schildert: "Häufiger kann man beobachten, dass diese intelligenten Vögel die Walnüsse aufnehmen, hochfliegen und die Nuss auf eine befestigte Fläche, auch auf verhältnismäßig flache Dächer, fallen lassen, damit die Schale zerbricht. Bei diesen Vögeln handelt es sich nicht um die größeren Raben, die wohl erst im nördlichen Saarland wieder angekommen sind, sondern um Rabenkrähen. Daneben sind bei uns die Saatkrähen heimisch, erkenntlich an der weißen Schnabelwurzel. Sie nisten in größeren Kolonien ."

Anka Braun aus Heusweiler berichtet: "Also, ich sehe da auch des öfteren Rabenkollegen, die eine Walnuss auf den asphaltierten Feldweg fallen lassen, in der Hoffnung, sie bricht auf. Funktioniert es nicht sofort, nehmen sie die Nuss auf, fliegen hoch und lassen sie wieder fallen. Natürlich immer auf den Asphalt, nie auf die Wiese. Und so ein Weg ist ja nur etwa 2,50 Meter breit. Also, ich denke, sie sind schlau, denn sie wissen genau, was sie tun." Ausführlich hat sich Kerstin Wunn mit den Raben befasst: "Ich habe diese Vögel im Raum Riegelsberg und Köllerbach, sogar in einem Wohnviertel (Gisorsviertel) schon sehr oft dabei beobachtet, wie sie ihre Nuss extra auf der Straße zurecht legen, damit diese von einem Auto geknackt wird. Wenn möglich, bin ich auch drüber gefahren. Oft lassen die Vögel ihre ‚Beute' auch aus einiger Höhe auf die Straße fallen in der Hoffnung, dass sie beim Aufprall kaputt geht. - Gerade hier im Gisorsviertel, Richtung Kaufland , sammelt sich fast jeden Abend eine riesige Anzahl von Raben, und sie fliegen im Schwarm lauthals umher." Kerstin Wunn betätigte sich auch als "Rabenmutter", allerdings im positiven Sinn: "Vor einigen Jahren war ein Jungrabe in Saarbrücken aus dem Nest gefallen. Danach konnten die Bewohner ihren Garten nicht mehr betreten, ohne von den Elterntieren attackiert zu werden", über Polizei und Saarbrücker Zoo kam der Vogel zu ihr, um ihn aufzupäppeln: "Ich kann nur sagen, diese Tiere sind sehr intelligent. Ich brachte ihm bei, auf der Stange zu sitzen, zu ‚sprechen' und zu fliegen. Nach vielen Flugversuchen war es so weit. Er hatte den Zeitpunkt selbst bestimmt, wieder in der Natur zu leben."

Familie Müller aus Püttlingen schickte uns Fotos und eine Schilderung der sechsjährigen Johanna Müller: "Jeden Morgen, wenn ich mit meiner Mama und meinem Hund rausgehe, kommt die Krähe und fliegt auf die Mauer, wie auf dem Bild. Einmal habe ich nämlich meinem Hund ein Leckerli gegeben und er hat es nicht gewollt und fallengelassen. Da hat die Krähe es geschnappt. Nun wartet sie jeden Tag darauf, eins zu bekommen, und wenn sie es nicht gleich kriegt, hüpft sie hinter uns her oder fliegt so dicht über uns weg, dass wir die Köpfe einziehen vor Schreck."

Ist das Leckerli zu hart für den Raben-Gaumen, dann wird es von dem cleveren Vogel erst mal in einer Pfütze eingeweicht. Und die Krähe stibitzt im Winter auch mal ganze Meisenknödel, indem sie mit dem Schnabel die Netze aufsäbelt.

 Wenn man dem Hund etwas von seinem Futter stibitzen kann, dann schmeckt's gleich noch mal so gut. Foto: Müller

Wenn man dem Hund etwas von seinem Futter stibitzen kann, dann schmeckt's gleich noch mal so gut. Foto: Müller

Foto: Müller
 Ganz handzahm auf dem Arm: Kerstin Wunn hat den Raben, der als Jungtier aus einem Nest gefallen war, großgezogen. Foto: Wunn

Ganz handzahm auf dem Arm: Kerstin Wunn hat den Raben, der als Jungtier aus einem Nest gefallen war, großgezogen. Foto: Wunn

Foto: Wunn

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HintergrundForschungsobjekt Rabe: Dr. Manfred Kleinschnieder aus Köllerbach schreibt: "Die hohe Intelligenz von Rabenvögeln (in Ihrem Fall dürfte es sich um eine Aaskrähe gehandelt haben) ist schon seit längerem bekannt und wird von Universitäten in vielen Ländern der Erde untersucht, sowohl in der Natur wie in Labors . Es ist geklärt, dass Krähen zu komplexen Intelligenzleistungen in der Lage sind, die man früher nur beim Menschen für möglich gehalten hat." red

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