Mahner gegen Hass und Gewalt

Heusweiler. Als der Wiebelskircher Alex Deutsch den Ärmel hochkrempelt, ist es im Saal der Friedrich-Schiller-Schule mucksmäuschenstill. Der Holocaust-Überlebende zeigt seine Tätowierung - die Zahl 105 613. Nach der Ankunft im Konzentrationslager wurde jeder Häftling zu einer Nummer degradiert

Heusweiler. Als der Wiebelskircher Alex Deutsch den Ärmel hochkrempelt, ist es im Saal der Friedrich-Schiller-Schule mucksmäuschenstill. Der Holocaust-Überlebende zeigt seine Tätowierung - die Zahl 105 613. Nach der Ankunft im Konzentrationslager wurde jeder Häftling zu einer Nummer degradiert. "Von diesem Moment an hatte keiner mehr einen Namen", berichtet der heute 95-Jährige. Begleitet von seiner Frau Doris erzählt der Gast den Zehntklässlern aus seinem Leben: Deutsch wird 1913 in Berlin geboren, wächst einige Jahre im Waisenhaus auf, erlernt das Bäckerhandwerk. Als Jude darf er seinen Beruf während der Zeit des Nationalsozialismus nicht mehr ausüben. 1943 wird er mit dem 33. "Osttransport" von Berlin nach Auschwitz-Birkenau verschleppt. 1750 Menschen werden in Viehwaggons abtransportiert, 250 von ihnen müssen als Zwangsarbeiter schuften, die anderen werden ermordet. "Solange ihr arbeitet, werdet ihr leben. Könnt ihr nicht mehr, geht ihr durch den Kamin", hören die Gefangenen nach ihrer Ankunft. Demütigungen, Gewalt und Hunger prägen den Arbeitsalltag. Die einzige Mahlzeit am Tag besteht aus einer Schüssel Suppe und einem Stück Brot. Deutschs damalige Ehefrau und sein kleines Kind werden im Vernichtungslager ermordet. Anschaulich schildert der Überlebende, warum er sich trotz vorhandener Rachegefühle nicht von Hass und Gewalt leiten ließ: "Vielleicht ist es ja einer von denen, die uns geholfen haben", dachte der ehemalige Häftling, wenn er nach dem Krieg einem Deutschen begegnete. Auch im Lager gab es Mitmenschlichkeit. Zivilarbeiter riskierten ihr Leben, um den Gefangenen zu helfen. Eine finanzielle Entschädigung hat das Terror-Opfer nie angenommen. Das Wort "Wiedergutmachung" auf dem staatlichen Formular versetzte ihm einen "Messerstich" ins Herz: Kein Geld der Welt kann das zugefügte Leid wieder gut machen und seine Familienangehörigen zurückbringen. "Ich habe vergeben - vergessen kann ich es nicht", sagt der Zeitzeuge. Nach dem Krieg lebt Deutsch in Amerika. 1977 stirbt seine zweite Frau, ein Jahr später kehrt er nach Deutschland zurück und zieht nach Wiebelskirchen. Seither berichtet er als "zufriedener und glücklicher Mensch" von seinen Erlebnissen - damit das Geschehene nicht vergessen wird. "Lasst Euch nicht hineintreiben in Hass und Gewalt!", lautet Deutschs Botschaft an die junge Generation. "Ich habe vergeben, vergessen kann ich nicht."Alex Deutsch

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