Ein selbst gemachter Grabstein Friedhofskultur mit Hammer und Meißel
Heusweiler · Jürgen Vogel liebt altes Handwerk. Den Grabstein für seinen Vater hat der Postmitarbeiter aus Niedersalbach in zwei Jahren Arbeit selbst aus Sandstein gearbeitet. Die Verwaltung moniert allerdings, dass das Dach des Grabsteins nicht der Größen-Norm entspreche.
Seit Tausenden von Jahren geht mit der Kultur des denkenden, fühlenden Menschen auch die Kultur des Bestattens seiner Verstorbenen einher. Die ältesten bekannten Spuren vermutlich bewusst vorgenommener Bestattungen – in den Höhlen von Quafzeh und Skhul im heutigen Israel – sind 90 000 bis 120 000 Jahre alt. Seither und bis heute gibt es unzählige Arten von Bestattungen. Bei uns sind heutzutage die Formen von Bestattungen – finanziellen und praktischen Erwägungen geschuldet – sehr genormt.
Auch das, was an Grabsteinen gestattet ist, unterliegt Vorgaben. So ist es etwas sehr Ungewöhnliches, was auf dem Heusweiler Friedhof zu sehen ist: Vor etwa zweieinhalb Jahren ist Reimund Vogel aus Niedersalbach verstorben. Der Stein, der sein Grab ziert, wurde jedoch nicht von einem berufsmäßigen Steinmetz gefertigt, sondern vom eigenen Sohn – kein Steinmetz, sondern hauptberuflich Zusteller bei der Post.
Zwei Jahre hat Jürgen Vogel in seiner Garage an dem großen Sandsteinblock aus den Nordvogesen gearbeitet – „und alles in absoluter Handarbeit, nur mit Hammer, Meißel und Schleifsteinen. Abgesehen vom Transport ist der Stein bei mir mit keiner Maschine in Berührung gekommen“, schildert Jürgen Vogel, der seinem Vater mit seiner Arbeit eine letzte Ehre erweisen wollte.
Aber geht das denn so ohne weiteres, selbst einen Grabstein zu fertigen und zu nutzen? – Nein, so einfach ist das nicht. Zum einen wird Privatleuten das Aufstellen nicht genehmigt, zum anderen braucht man natürlich die entsprechenden handwerklichen Fähigkeiten. Vogel hat das Glück, dass ein Freund, Dirk Spurk, Steinmetz von Beruf ist, über dessen Firma das Aufstellen beantragt werden konnte und der ihm mit Ratschlägen zur Seite stand. Und das Handwerkliche? „Ich bewundere alte Handwerkskunst“, so Vogel, dem auch der Respekt vor der Tradition des Handwerks wichtig ist. So hat er, der auch immer mal wieder am Bau gearbeitet hat, sich selbst seit fast 20 Jahren Wissen und Praxis angeeignet. Für das elterliche Haus hatte er auch schon mal eine Sandsteinfigur gefertigt – einen „Gargoyle“, wie man ihn oft als Wasserspeier-Figur an alten Kirchen findet. „Mein Vater war ein sehr, sehr bodenständiger Mensch“, so Vogel, „er hat meine Handwerksarbeiten geschätzt und ebenfalls das Handwerk bewundert.“
Der Stein sollte auch ganz bewusst nichts Exotischers sein, sondern im weiteren Sinn aus der Region kommen. So hat sich Jürgen Vogel für „Vogesen rot geflammt“ entschieden, „der hat eine gute Festigkeit, lässt sich aber trotzdem bearbeiten, ohne dass man diamantbesetztes Werkzeug braucht. Auch die Einschlüsse im Stein gefallen mir gut.“ Sogar die Rückseite hat er mit Hammer und Meißel verziert – mit einem Kreuz und einem Alpha und Omega, griechische Buchstaben, die für Anfang und Ende stehen. Warum auch die Rückseite? „Die sieht man ja vom Weg an der dahinter liegenden Grabreihe. Und es sollte jeder Besucher etwas davon haben. Jeder, der mit mir darüber spricht, sagt auch, dass der Stein wunderschön sei.“ Bisher sei auch nur einem Betrachter aufgefallen, dass die Höhe nicht mehr ganz stimmt.
Die Höhe stimmt nicht mehr? Nach dem Aufstellen des Steines hatte Vogel Post von der Gemeinde Heusweiler bekommen: Der Stein sei zu hoch und könne so nicht stehen bleiben. Nach einem Ortstermin mit Bürgermeister Thomas Redelberger, der sich auch viel Mühe gegeben habe, ihm entgegen zu kommen, betont Vogel, hat er den Stein von unten her etwa 15 Zentimeter gekürzt. Die stimmigen Größenverhältnisse – der „Goldene Schnitt“ – habe zwar etwas gelitten, aber eben kaum wahrnehmbar. Ganz ausgestanden ist die Sache aber noch immer nicht: Die Tiefe des oberen Teils, das den Grabstein wie ein Dach abschließt, sei zu groß, so kürzlich ein weiteres Schreiben der Gemeinde. Vogel geht dagegen, von den benutzten Schablonen her, davon aus, dass nun alles im Rahmen liegt, und er hofft, dass sich das Ganze in einem Gespräch klären lässt. „Bis 13. Mai ist noch Zeit“, so Mutter Hedwig Vogel, die sich natürlich auch wünscht, dass der Grabstein, den der Sohn für den Vater fertigte, nicht noch weiter geändert werden muss.
Bleibt abzuwarten, ob ein Hauch Individualität in der Friedhofskultur und der Goldene Schnitt durch bürokratische Normen weiter beschnitten werden oder nicht.