Eine Freundschaft aus der Evakuierung Eine Freundschaft seit 73 Jahren

Walpershofen · Martha Haag aus Walpershofen, heute 94, war als junge Frau in der Evakuierung auf einem Bauernhof im mittel- fränkischen Ezelsdorf. Es entstand eine bis heute andauernde Freundschaft.

 Besuch aus Ezelsdorf bei Nürnberg in Walpershofen, von links: Margarete Göhring, die 94-jährige Walpershoferin Martha Haag und Hermann Göhring.

Besuch aus Ezelsdorf bei Nürnberg in Walpershofen, von links: Margarete Göhring, die 94-jährige Walpershoferin Martha Haag und Hermann Göhring.

Viele Kinder, manchmal ganze Familien aus dem Saarland sind während des Zweiten Weltkriegs einige Monate in – vermeintlich – sicherere Regionen evakuiert worden. Dass daraus aber bis heute andauernde Freundschaften entstanden sind, ist ungewöhnlich: Martha Haag aus Walpershofen – damals hieß sie noch Bauer und lebte in Landsweiler – wurde im Dezember 1944, gemeinsam mit ihren Eltern Kathrina und Hermann Bauer, nach Ezelsdorf bei Nürnberg geschickt.

Dort war die Familie auf dem Bauernhof von Babette und Hans Gspahn untergebracht, und dort erlebten Gäste wie Gastgeber auch am 18. April 1945 den Einmarsch der Amerikaner, die sich, so Margarete Göhring, geborene Gspahn, die Tochter der Gastgeber, „anständig“ verhalten hätten. Sie erinnert sich noch heute daran, dass ein US-Soldat die Armbanduhr eines Bekannten sicherstellte, um sie vor Diebstahl zu schützen.

Nach den Kriegswirren, im Juli 1945, konnte die saarländische Familie in ihr damaliges Elternhaus in Lebach-Landsweiler zurückkehren, in dem bei der Ankunft kaum noch Möbel vorhanden waren, wie sich Martha Haag erinnert: „Plünderer hatten fast alles mitgehen lassen.“ Doch sie brachten auch etwas mit zurück, das zwar nichts mit materiellen Werten zu tun hat, aber dennoch wertvoll ist: Aus dem halben Jahr im bayerischen Mittelfranken entwickelte sich eine enge Freundschaft, die bis heute andauert.

In den Jahrzehnten nach dem Krieg folgten viele gegenseitige Besuche. Und diese Woche hatte die heute 94-jährige und inzwischen verwitwete Martha Haag wieder Besuch aus Ezelsdorf in ihrem Haus in Walpershofen, das noch ihr Mann hatte erbauen lassen.

Die Gspahn-Tochter Margarete Göhring und ihr Ehemann Hermann Göhring waren von Montag bis Mittwoch bei Martha Haag zu Gast. Hermann Göhring legt übrigens Wert darauf, dass keine verwandtschaftliche Beziehung zwischen seiner Familie und dem früheren NS-Politiker Hermann Göring besteht. Zur Unterscheidung schreibe sich seine Familie mit „h“, und auch der Vorname sei zufällig gewählt.

 Tochter und Mutter Margarete und Babette Gspahn sowie Martha Haag aus Walpershofen (von links) bei einem Besuch Martha Haags bei ihren Freunden im Jahr 2001. 

Tochter und Mutter Margarete und Babette Gspahn sowie Martha Haag aus Walpershofen (von links) bei einem Besuch Martha Haags bei ihren Freunden im Jahr 2001. 

Schon 1946 – es war eine armselige Zeit und das Haus von Plünderern fast leer geräumt – kehrte Martha Bauer, wie sie damals noch hieß, von Mai bis November als Erntehelferin zur Familie Gspahn und deren Bauernhof zurück. Während ihres Aufenthaltes erkrankte sie zu allem Elend noch an einer Lungenentzündung, von der sie sich aber dank der fürsorglichen Pflege ihrer Gastfamilie wieder erholte. Zum Dank für die Arbeit ihres jungen Gastes schickte die Familie Gspahn eine große Menge Feldfrüchte und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse nach Landsweiler. Das war der Anfang, und auch aus den vielen folgenden Jahren, so Hermann Göhring, gebe es noch so manche Anekdote zu erzählen.

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