Einblick in Holzhändlers HerrenhausVom Herrenhaus über Militärherberge zur Reha-Klinik

Jenny Bickelmann hatte zur Schlossbesichtigung eine üppig gerahmte Kohlezeichnung nach Bietschied mitgebracht. Ihr Großvater hatte das Bild, das Schlossherrn Heinrich mit Pferd darstellt, einst ersteigert - im Schloss hängt eine Kopie

Jenny Bickelmann hatte zur Schlossbesichtigung eine üppig gerahmte Kohlezeichnung nach Bietschied mitgebracht. Ihr Großvater hatte das Bild, das Schlossherrn Heinrich mit Pferd darstellt, einst ersteigert - im Schloss hängt eine Kopie. Karl-Heinz Janson vom Verein für Industriekultur und Geschichte Heusweiler erklärt, dieses Bild stamme von Heliane-Lais Wahlster, die Enkelin des Schlosserbauers. Heinrich Wahlster, der durch Holzhandel zu Geld gekommen war, hat vor 199 Jahren den Hof seines Großvaters abtragen lassen und an gleicher Stelle das pompöse sogenannte Schlösschen im Empirestil errichten lassen. Die Saarburger Stuckarbeiten sind vom Feinsten. Wahlster Holz war begehrt. Die Stämme sollen in Form von Flößen über Saar, Mosel, Rhein bis Holland gelangt sein, wo man daraus Schiffe baute. Heinrich Wahlster ahmte nicht nur den französischen Adel nach, er stand auch mit Napoleon in Verbindung und wurde sogar zur Kaiserkrönung geladen. In Heusweiler war er erst "maire de la commune". Später hatte er auch unter den Preußen den Bürgermeister-Posten inne. Seine Frau stammte aus einer Schwarzwälder Holzhändlerfamilie. Neben dem Holzhandel züchtete Heinrich Wahlster Pferde und betrieb eine umfangreiche Landwirtschaft. Es galt als schick, seine Pferde von Wahlster zu beziehen, und er selbst, so erzählte man sich, sei vierspännig vorgefahren. Es waren so viele Besucher zum Vortrag mit anschließender Schlossführung gekommen, dass der Platz im kleinen eleganten roten Salon knapp wurde. Gegenüber, im blauen Saal, zeigten die Maggi-Flaschen auf den Tischen, dass sich heute darin eine Cafeteria befindet. Das Gebäude wird nämlich als Reha-Tagesklinik genutzt. So dient der grüne Salon im Obergeschoss beispielsweise der Magnettherapie. Auch das sandelholzfarbene Wohnzimmer ist medizinischen Zwecken vorbehalten. In diesem Raum hängt auch eine Kopie des Gemäldes, das Friedrich Bickelmann ersteigert hat. Zum Schluss warfen alle einen Blick in den Garten, stellten sich vor, wie er damals wohl ausgesehen hat. Mit Figuren, Treppenanlagen, Blickachsen, mit Rosengängen, Lauben und exotischen Pflanzen, die der Schlossherr von seinen Reisen in ferne Länder mitgebracht hatte.Einen Blick riskieren: Einzelne Personen, die mal einen Blick in die schönen Gemächer werfen wollen, können sich an den Verwaltungsleiter der Klinik wenden, Tel. (0 68 06) 95 37 19.Bietschied. Der Ort Bietschied, der bis heute seinen abgeschiedenen Charakter gewahrt hat, wurde 1373 erstmals urkundlich erwähnt. 1743 ließ an der Stelle, an der heute das Herrenhaus steht, Conrad Wahlster einen Hof erbaut. Sein Enkel Heinrich ließ 1810 das Gut abtragen und das Schlösschen errichten. Heinrich Wahlster erwarb zudem unter anderem auf heutigem Saarbrücker Gebiet den Eschberger Hof und den Rodenhof, zudem ein Hofgut bei Zweibrücken. Dort, in Zweibrücken, soll er an der "Läusekrankheit" gestorben sein (die Krankheit ist etwas diffus, es kann massenhafter Läusebefall, eventuell auf Milben zurückgehend, aber eventuell auch eine Art Typhus gemeint sein). Er hinterließ zwei Töchter und einen Sohn. Möglicherweise leben heute noch Nachkommen in der Gegend um Wiesbaden. 1896 ging Schloss Bietschied in die Besitz des preußischen Bergfiskus über. Es diente dem Direktor als Dienstwohnung, und dessen Frau Christine machte eine gut gehende Sommerwirtschaft auf. Im Ersten Weltkrieg diente es dem Militärkommando als Sitz. 1920 übernahmen dann die Franzosen die Grubenaufsicht und damit das Schlösschen. Als nächstes zog der Reichsarbeitsdienst ein. Zwei Achsen wurden angebaut, der Eingang verlegt. Für die Frauen stand hier kochen, putzen, nähen auf dem Stundenplan. Am 28. August 1938 kam "der Führer" zu Besuch. Zwischenzeitlich, beim Frankreichfeldzug, wurde es wieder Militärherberge. Von 1944 bis zum Kriegsende stand das Gebäude leer. Danach wurden wegen der Wohnungsnot Bürger einquartiert. Ohne Licht, Wasser und Fenster wohnte man hier. Eine Weile ließen sich auch Hochseilartisten im Schlösschen nieder, die ihre Seile zum Training quer über den Hof spannten. 1948 folgte die Nutzung als Kindererholungsheim für Bergarbeiterkinder, und seit 1954 dient das Schlösschen als Reha-Klinik. hof

Auf einen BlickZum 200 Geburtstag des Herrenhauses in Bietschied soll nach Möglichkeit im nächsten Sommer ein Schlossfest steigen. Dafür soll, so Karl-Heinz Janson, Ende des Jahres eine Initiative gegründet werden. Mit im Boot sollen sein: der Verein für Industriekultur und Geschichte, der Ortsrat, die örtlichen Vereine und die Betreiber des Reha-Zentrums. hof

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