Die neue Heimat heißt Holz

Holz · Auf der Flucht von Syrien nach Deutschland ertrank der jüngste Sohn von Familie Kiki-Hammoud. Das jüngste Kind kam mit Downsyndrom und Herzfehler auf die Welt. Wie geht es der Flüchtlingsfamilie in ihrer neuen Heimat in Holz?

 Die syrische Familie Kiki-Hammoud hat sich in Holz gut eingewöhnt, von links auf dem Bild: Marah, Joudi, Vater Mohin Eddin mit Söhnchen Hadi, Lavant und Deen. Foto: Monika Jungfleisch

Die syrische Familie Kiki-Hammoud hat sich in Holz gut eingewöhnt, von links auf dem Bild: Marah, Joudi, Vater Mohin Eddin mit Söhnchen Hadi, Lavant und Deen. Foto: Monika Jungfleisch

Foto: Monika Jungfleisch

Vor einem halben Jahr berichtete die Saarbrücker Zeitung über das Schicksal der syrischen Familie Kiki-Hammoud, die nach Bombenangriffen auf ihre Heimat Damaskus übers Mittelmeer nach Deutschland geflohen war. Auf der Flucht konnte Familienvater Mohin Eddin Kiki zwar seine beiden Töchter und seine Ehefrau vor dem Ertrinken retten, sein kleiner Sohn Ahmad starb jedoch in den Fluten des Mittelmeers. In Holz lebt die Familie seit November 2014. Als sich eine erneute Schwangerschaft bei der damals 38-jährigen Nasim Hammoud ankündigte, hofften alle, das Baby könne ihren Schmerz über den verlorenen Sohn mildern. Doch im Juli 2015 kam Söhnchen Hadi mit Downsyndrom und drei Herzfehlern auf die Welt.

Nun haben wir die Familie in Holz besucht. Das Wohnzimmer der Familie Kiki duftet herrlich nach Nougat- und Milchhörnchen, frisch gebacken von Vater Mohin Eddin. Auf dem Wohnzimmertisch steht eine Kanne mit dampfendem Tee, alle Familienmitglieder haben sich versammelt. Mutter Nasim hält Baby Hadi im Arm und gibt ihm sein Fläschchen. Die Strapazen der vergangenen Monate sieht man der gelernten Rechtsanwältin nicht an. Nach dem Schock über die lebensbedrohliche Herzerkrankung ihres Sohnes und der bleibenden Behinderung kehrt langsam wieder Zuversicht ein. Die Herzoperationen des Kindes in Heidelberg sind gut verlaufen.

Die beiden Kinder Mohin Eddins aus erster Ehe sind mittlerweile auch in Holz eingetroffen. Sie konnten nach Anerkennung des Asylantrags der Familie Kiki im Zuge der Familienzusammenführung mit dem Flugzeug dem Bombenterror in Damaskus entkommen. Die 15-jährige Marah und ihr 14-jähriger Bruder Lavant besuchen die Gemeinschaftsschule in Heusweiler. Die sechsjährige Joudi fühlt sich im Kindergarten in Holz sehr wohl, die achtjährige Leen ist in der Klasse 2 a der Holzer Grundschule gut integriert. Beide Mädchen sprechen erkennbar besser deutsch als vor einem halben Jahr, sind herzlich und aufgeschlossen, die Ältere "dolmetscht" für ihren Vater und die beiden Halbgeschwister.

Was sie an Deutschland schätzen? "Die Ruhe und den Frieden", sagen sie. Wenn der Krieg in Syrien beendet ist, wollen nur die beiden großen Kinder in ihre Heimat zurück, wo noch ihre Großeltern wohnen. Für alle anderen ist Deutschland zur neuen Heimat geworden. Wenn Söhnchen Hadi im September 2016 in die Krippe kommt, will Mutter Nasim wieder arbeiten. Sie kann sich vorstellen, als Lehrerin tätig zu werden. Ihren Beruf als Anwältin wird sie wohl kaum in Deutschland ausüben können, zu unterschiedlich seien die Rechtssysteme, meint sie. Vater Mohin Eddin hat auch wenig Hoffnung, wieder in seinem erlernten Beruf Arbeit zu finden. Er hat, so erzählt er, als Anwalt beim Militär und in der Immobilienwirtschaft in Syrien gearbeitet. "Aber irgendetwas mit Kochen oder Backen" könne er sich gut vorstellen. "Hauptsache Arbeit."

Zu ihrem Glück im Köllertal ("Wir haben nette Nachbarn und Freunde gefunden") fehlt ihnen eigentlich nichts - außer einer größeren Wohnung.

 Das Grab von Ahmad in Messina. Gern würde die Mutter ihren Sohn nach Deutschland überführen lassen. Foto: familie

Das Grab von Ahmad in Messina. Gern würde die Mutter ihren Sohn nach Deutschland überführen lassen. Foto: familie

Foto: familie

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HintergrundAls sich die ganze Familie für ein Familienfoto auf dem Sofa zusammenfinden soll, zögert Mutter Nasim. Das Wort "Familienfoto" irritiert sie. Sie wirkt plötzlich verschlossen und fast schon abwehrend. "Kein Familienfoto mit mir", sagt sie. "Ohne Sohn Ahmad ist für mich ein Familienfoto nicht möglich." Da ist er wieder, der Schmerz über den Tod des Zweijährigen, der vor seiner Flucht aus Syrien noch so fröhlich auf dem Friseurstuhl saß und sich die Haare schneiden ließ. Das Video davon hat Vater Modin Eddin auf seinem Handy. Auch unzählige Fotos von Ahmad, wie er lacht und sich freut. Und wie er ihn tot in seinen Armen hält, wie er beerdigt wird in Italien in einem weißen Sarg, wie die italienischen Behörden ein Auffanglager nach ihm benennen und wie gepflegt sein Grab in Messina ist. mj

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