Bürgermeister-Direktwahl, ja oder nein? Die Mehrheit hat nicht die Wahrheit gepachtet

Regionalverband · Kommunalpolitik braucht möglichst breiten Konsens, meint Hans-Werner Zimmer, früherer Bürgermeister der Stadt Sulzbach.

 Nach zwei Amtszeiten an der Sulzbacher Rathausspitze hat er sich ins Privatleben zurückgezogen: Alt-Bürgermeister Hans-Werner Zimmer (70, SPD) in seinem Haus in Sulzbach.

Nach zwei Amtszeiten an der Sulzbacher Rathausspitze hat er sich ins Privatleben zurückgezogen: Alt-Bürgermeister Hans-Werner Zimmer (70, SPD) in seinem Haus in Sulzbach.

Foto: Iris Maria Maurer

Nach der Wahl-Runde, die am Pfingstsonntag mit Stichwahlen um Rathaus-Spitzenämter zu Ende ging, ist eine Debatte entbrannt darüber, ob man Abstand nehmen sollte von der Direktwahl der Rathauschefs, ob man also (Ober-)Bürgermeister wieder, wie früher, durch die Räte wählen lassen sollte. Und ob die Bürgermeister-Amtszeiten im Saarland – derzeit zehn Jahre – womöglich zu lang sind (die SZ berichtete). Wir haben dazu Kommunalpolitiker aus dem Regionalverband Saarbrücken befragt – ehemalige Rathauschefs, die jeweils auf beiden Wahl-Wegen ins Amt kamen, durch Rats-Wahl und durch Urwahl. Heute: Hans-Werner Zimmer (70, SPD), 18 Jahre lang Bürgermeister der Stadt Sulzbach.

Herr Zimmer, Sie sind zunächst vom Stadtrat ins Amt gewählt worden, später in einer Direktwahl von den Bürgern. Welchen Wahl-Modus haben Sie persönlich als den stärkeren demokratischen „Auftrag“ empfunden?

Hans-Werner Zimmer: Für mich war die Urwahl eindeutig stärker. Die vorherige Wahl durch den Rat war natürlich nicht undemokratisch. Aber das direkte Votum der Bürger hat doch größeres Gewicht.

Grundsätzlich: Finden Sie es richtig, dass Rathauschefs per Urwahl gewählt werden?

Zimmer: Ja. Und ich würde auch empfehlen, bei der Direktwahl zu bleiben. Mit der Zustimmung der Bevölkerung im Kreuz kann ein Rathauschef  selbstbewusster, freier agieren. Die Direktwahl stärkt die Position des Bürgermeisters, auch gegenüber dem Rat.

Hat die Urwahl für Sie später Komplikationen mit dem Rat zur Folge gehabt, etwa bei parteipolitisch nicht „passender“ Mehrheit?

Zimmer: Im Sulzbacher Rat hatte die SPD seinerzeit die absolute Mehrheit. Aber ganz unabhängig von den Parteifarben war ich immer bemüht, für kommunalpolitische Entscheidungen eine breite Mehrheit zu finden. Als Rats-Mehrheit hat man ja nicht die Wahrheit gepachtet.

Wären solche (möglichen) Komplikationen aus Ihrer Sicht ein Argument dafür, zurückzukehren zur Wahl der Rathauschefs durch die Räte?

Zimmer: Nein. Wo immer es mal Komplikationen gegeben hat, ließ sich meiner Ansicht nach damit umgehen. Man kann eine Kommune ja auch mit wechselnden Mehrheiten ganz gut führen. Kommunalpolitik hat nun mal einen ganz eigenen Charakter: Auf kommunaler Ebene ist es immer sinnvoll, für Entscheidungen einen möglichst breiten Konsens zu suchen.

Bei einer indirekten Wahl hätten unabhängige Bewerber es schwerer als Kandidaten, die einer Partei angehören. Wie bewerten Sie das?

Zimmer: Bei indirekten Wahlen entscheiden Parteien. Da hätten unabhängige Bewerber wohl kaum Chancen, es sei denn, die Parteien hätten sich eine Art Besten-Auswahl aufs Panier geschrieben – aber so etwas gibt es nur ganz selten. Unabhängige Bewerber haben es ohnehin schwerer als Partei-Kandidaten, schon deshalb, weil sie nicht auf einen Apparat zurückgreifen können.

Zehn Jahre Amtszeit seien zu lang, heißt es derzeit in der Diskussion. Wie lang sollten aus Ihrer Sicht Rathaus-Amtszeiten sein?

Zimmer: Ich habe die zehn Jahre nicht als zu lang empfunden. Und ich war überrascht, dass das Saarland mit dieser Amtszeit-Dauer im Bundesvergleich eine Ausnahme ist, das war mir zuvor gar nicht bewusst. Ich denke, die Amtszeit von Rathauschefs sollte nicht weniger als acht Jahre betragen. Aus zwei Gründen. Zum einen, um gute Kandidaten zu finden – wer gibt schon seinen Beruf auf, um für vier oder fünf Jahre Bürgermeister zu werden?  Wenn man sich auf so etwas einlässt und um des Amtes willen aus dem Beruf aussteigt, sollte der Zeitraum für die kommunalpolitische Arbeit nicht zu kurz sein. Der zweite Grund ist, dass manche Dinge in der Kommunalpolitik einfach mehr Zeit brauchen, als man von außen oft meint. Bebauungspläne zum Beispiel – das dauert ewig. Überhaupt Bau-Verfahren aller Art, man muss da immer in Jahren rechnen. Um sinnvoll an solchen Projekten arbeiten zu können, muss ein Rathauschef lange genug im Amt sein.

In einigen Kommunen war bei der Stichwahl am Pfingstsonntag die Wahlbeteiligung sehr niedrig. Was könnte man tun, um das zu ändern?

Zimmer: Wenn eine Stichwahl ausgerechnet am Pfingstsonntag stattfindet, ist es eigentlich logisch, dass dann die Wahlbeteiligung schon mal absacken kann. Insgesamt fände ich es besser, Kommunalwahlen und Bürgermeister-Direktwahlen zeitlich voneinander zu trennen. Das Wahl-Paket zwei Wochen vor Pfingsten war sehr dick: Europawahl, Wahl der Regionalversammlung, Wahl der kommunalen Räte, teilweise auch noch der Ortsräte, und dazu noch Urwahlen. Das ist zu viel. Bei dieser Ballung geht die – wichtige – Direktwahl fürs Bürgermeisteramt unter.

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